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KommentarDie Schweizer bleiben bei der Personenfreizügigkeit – dieser Pragmatismus ist auch gut für Deutschland

Die Schweizer Volkspartei wollte die Personenfreizügigkeit kippen. Doch es setzten sich die ökonomische Vernunft und der Wille zur Kooperation durch.Jan Dirk Herbermann 27.09.2020 - 15:03 Uhr Artikel anhören

EU-Ausländer zahlen Steuern und Sozialabgaben in der Schweiz.

Foto: dpa

Die Schweizer zeigen sich einmal mehr als Pragmatiker. Sie wollen die bewährte Personenfreizügigkeit mit den EU-Staaten fortsetzen. Damit bereiten die Eidgenossen der EU-feindlichen Schweizerischen Volkspartei um den Politveteranen Christoph Blocher eine schmerzliche Niederlage.

Die SVP wollte per Volksabstimmung die Personenfreizügigkeit kippen. Ihre plumpen Parolen, wonach die Ausländer alle Übel in der Schweiz verursachen, verfingen bei den meisten Schweizern nicht. Vielmehr setzten sich die ökonomische Vernunft und der Wille zur Kooperation durch.

Das sind gute Nachrichten: für die Schweizer selbst, aber auch für Deutschland und die anderen EU-Länder. Zumal – die Grenzregionen können aufatmen – der wechselseitige Austausch wird fortgesetzt. Und die Schweizer Volksabstimmung sendet das Signal, dass ein eng vernetztes Europa attraktiv bleibt.

Die reiche Schweiz zog in den vergangenen Jahren viele Menschen aus der EU an, sie verdienen in Helvetien reichlich Geld. Rund 1,4 Millionen EU-Bürger leben mittlerweile in der Schweiz, hinzu kommen einige Hunderttausend Grenzgänger aus Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien.

Die EU-Ausländer zahlen aber auch Steuern und Sozialabgaben in der Schweiz. Somit tragen sie zur Prosperität und Stabilität des kleinen Landes im Herzen Europas bei. Das Erfolgsmodell Schweiz beruht vor allem auf einer Ankoppelung an die EU: Im vergangenen Jahr gingen laut Regierung in Bern fast 50 Prozent der Schweizer Ausfuhren in die EU, umgekehrt bezog Helvetien mehr als 60 Prozent der Einfuhren aus der EU.

Führungskrise der SVP

Ein Ende des Abkommens über Personenfreizügigkeit hätte auch zu einem Aus von sechs weiteren bilateralen Abkommen geführt, die Wirtschaftsbeziehungen und Zusammenarbeit regeln. Damit wäre es praktisch zum Bruch zwischen dem kleinen und dem großen Partner gekommen.

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Es ist erstaunlich, dass die SVP diese Gefahr mit ihrer Begrenzungsinitiative bewusst heraufbeschworen hat. Die Partei der Abschottung verfügt zwar noch über viele treue Gefolgsleute. Aber Mehrheiten kann sie mit ihren mitunter rassistisch getränkten Parolen nicht mehr holen.

Neben der inhaltlichen Krise rutscht die SVP tiefer in eine Führungskrise. Christoph Blocher, der bald 80-jährige Übervater der SVP, der die Partei einst mit feurigen Reden und nationalistischer Folklore groß machte, kann nicht loslassen. Viele wichtige Fragen will der knorrige Milliardär noch immer selbst entscheiden. Einen charismatischen Nachfolger für Blocher findet die SVP nicht. Zwar ist die SVP nach wie vor die größte Partei der Schweiz. Als gestaltende Kraft verliert sie aber an Gewicht.

Mehr: Lesen Sie hier, warum die EU-Kommission bei der neuen Asylreform auf rigorose Abschiebungen setzt

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