Kommentar Die Twitter-Entscheidung macht das Internet besser

Der Kurznachrichtendienst will politische Werbung auf seiner Plattform unterbinden.
Es ist ein guter Tag für die Meinungsfreiheit: Twitter-Chef Jack Dorsey will politische Werbung von seinem Kurznachrichtendienst verbannen. Das wird seine eigene Plattform besser machen. Vor allem aber sendet die Entscheidung die richtige Botschaft in eine hitzige Debatte: Freie Meinungsbildung und bezahlte Meinungsbildung sind nicht vereinbar.
Soziale Netzwerke bieten jedem, der Zugang zum Internet hat, die Freiheit, seine Meinung zu äußern. Twitter und Facebook haben es bisher aber nicht ermöglicht, sich unverzerrt eine Meinung zu bilden.
Denn auch wenn Werbung als solche gekennzeichnet ist, beeinflusst sie, was Menschen bewusst und unbewusst für wichtig und richtig halten. Die Nutzer können die Werbung nicht ausblenden und können sich kein Bild davon machen, welcher Ausschnitt der Werbelandschaft für sie bereitgestellt wird und weshalb. Das ist tragbar, wenn es um Halbwahrheiten über Feuchtigkeitscreme geht. Aber untragbar bei Lügen über Politik.
Twitter ist die Onlineplattform für den politischen Diskurs. Vor allem Politiker in den USA platzieren dort ihre Themen, kritisieren Vorhaben von Widersachern, unterstützen Pläne von Parteifreunden, verteidigen ihre Entscheidungen.
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Wessen Botschaften verbreitet werden und die meisten Menschen erreichen, sollten andere Nutzer entscheiden, nicht das Geld. Da liegt Dorsey richtig. Es ist die beste Möglichkeit, dem Diskurs eine Art demokratische Grundlage zu geben.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg sollte sich dieser Strategieänderung anschließen. Denn Facebook-User sind oft jünger und nutzen die Plattform in erster Linie, um mit ihren Freunden in Kontakt zu bleiben, und zur Unterhaltung.
Sie müssten noch stärker vor politischen Kampagnen geschützt werden, deren Wirkungsweise sie nicht verstehen können. Stattdessen enthebt sich der Facebook-Chef der Verantwortung, Wahlwerbung auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
US-Präsident Donald Trump war im Wahlkampf 2015 und 2016 einer der großen Profiteure politischer Werbung im Internet. Kein Wunder, dass sein Kampagnenmanager die Twitter-Entscheidung gleich kritisierte. In den USA nutzt mittlerweile jede Partei politische Werbung intensiv.
Das Aus für politische Werbung macht soziale Netzwerke aber noch nicht zu vertrauenswürdigen Orten. Ein noch viel größeres Problem ist die Meinungsmanipulation durch Bots und die Verbreitung von Falschnachrichten. Dafür müssen technische Lösungen entwickelt werden. Aber Dorseys Entscheidung, politische Werbung zu verbannen, ist ein erster, längst überfälliger Schritt auf dem Weg zu einer leichteren freien Meinungsbildung im Netz.
Mehr: Twitter stoppt Politik-Werbung auf seiner Plattform. Damit geht der Kurznachrichtendienst einen anderen Weg als Facebook.
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