Kommentar Die Verknappung des Faktors Arbeit ist für den flexiblen US-Markt eine Chance

Die Arbeitslosenquote in den USA ist auf 5,8 Prozent gefallen.
Der Mangel an Arbeitskräften ist in den USA zu Recht ein heißes Thema. Trotz der großen Öffnungswellen im Mai wurden erneut weniger Arbeitsplätze geschaffen als von Experten erwartet. 8,1 Millionen offene Stellen sind ein Beleg dafür, dass es Unternehmen in einigen Bereichen wirklich schwerfällt, in der kräftigen Erholung nach der Corona-Rezession die richtigen oder überhaupt Mitarbeiter zu finden.
Auch in Großbritannien, wo die Öffnungen ähnlich wie in den USA früher geschehen sind als in Kontinentaleuropa, ist die Zahl der Festanstellungen im Mai so stark gestiegen wie seit 23 Jahren nicht mehr. Und in Deutschland berichten Unternehmen von Engpässen etwa bei IT-Spezialisten. Doch auch wenn der Aufschwung nach der Pandemie in Kontinentaleuropa in einzelnen Bereichen ebenfalls zu Verknappungen führen wird, ist die Lage in den USA nicht eins zu eins übertragbar.
In Europa kehren viele Arbeitnehmer nach der Kurzarbeit in ihre alten Arbeitsverhältnisse zurück. In den USA ist der Arbeitsmarkt im Guten wie im Schlechten weitaus disruptiver.
14 Prozent betrug die Arbeitslosenquote auf ihrem Höhepunkt in der Corona-Pandemie. Einige ältere Arbeitnehmer haben sich von ihrem bisherigen Beruf komplett verabschiedet.
Entscheidend wird für die USA das Auslaufen der in der Krise höheren Arbeitslosenbezüge sein, die die Regierung unter US-Präsident Joe Biden noch bis September zahlen will. Einige Bundesstaaten streichen sie jetzt bereits oder wandeln sie in Stellenantrittsprämien um.
Bidens Infrastrukturpaket könnte Verknappung verschärfen
Auf das Wegfallen dieser Hilfen sollten sich die US-Arbeitgeber jedoch ebenso wenig verlassen wie auf die Normalisierung in der Kinderbetreuung, die mehr Eltern wieder flexibler einsetzbar auf dem Jobmarkt werden lässt. Der Anteil der Erwerbstätigeneinkommen an der jährlichen Wirtschaftsleistung ist in den USA in den vergangenen 20 Jahren drastisch gefallen.
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Wenn Löhne und Arbeitsbedingungen in einigen Segmenten so schlecht sind, dass sich keine Arbeitskräfte finden lassen, dann ist das ein eindeutiges Zeichen für die Arbeitgeber, daran etwas zu ändern. Dafür ist jetzt die Chance. Zumal das mehr als zwei Billionen Dollar schwere Infrastrukturpaket Bidens, wenn es nur ansatzweise durchs Parlament kommt, für weitere Verknappungen auf dem Arbeitsmarkt sorgen dürfte.
Selbst der flexible US-Arbeitsmarkt erholt sich nicht über Nacht. Es wird Experten zufolge noch ein bis anderthalb Jahre dauern, bis dieser wieder auf Vor-Corona-Niveau ist. 7,6 Millionen Arbeitsplätze gilt es bis dahin noch wiederzubesetzen. Das gelingt mit den richtigen Arbeitsbedingungen und mit mehr Angeboten zur Aus- und Weiterbildung schneller und besser.
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