Kommentar Die Warnstreiks sind nur ein kurzes Aufbäumen

Warnstreik mit Maske und Abstand.
„Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“, sagt die Gewerkschaftslyrik. Aber darf dieser Arm auch dann Sand ins Getriebe streuen, wenn die Wirtschaft noch im Corona-Schock steckt und die Räder erst langsam wieder ans Laufen kommen? So wie jetzt mit den Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie?
Für die IG Metall, der der Arbeitskampf quasi in die DNA eingeschrieben ist, führt nach zweieinhalb Monaten ergebnisloser Verhandlungen innerhalb der Friedenspflicht kein Weg mehr an einer Eskalation vorbei.
Schon der Selbsterhaltungstrieb verlangt, jetzt ein bisschen Krawall zu machen. Mit der Corona-Nullrunde im vergangenen Jahr mussten die Metaller bereits eine Kröte schlucken. Einer erneuten Diät beim Entgelt, wie sie die Arbeitgeber für das laufende Jahr verlangen, kann die Gewerkschaft kaum kampflos zustimmen, wenn ihr nicht die Basis von der Fahne gehen soll.
2020 hat die IG Metall mehr als zwei Prozent ihrer Mitglieder verloren, Kurzarbeit und Homeoffice erschweren die Werbung im Betrieb. Da helfen ein paar Warnstreik-Nadelstiche, um in die Fernsehnachrichten zu kommen und sich so in Erinnerung zu rufen.
Hinzu kommt, dass die Lage nicht mehr so schwarz ist, wie die Arbeitgeber sie gern malen. In der Industrie macht sich ein Hoffnungsschimmer breit, die Auftragsbücher füllen sich langsam, die Kurzarbeit wurde stark zurückgefahren. Zwar ist das Produktionsniveau vom Herbst 2018, als die Metall- und Elektrobranche in die Rezession rutschte, noch lange nicht wieder erreicht.
Gemeinsames Ziel: Erhalt der Arbeitsplätze
Doch solange Konzerne wie Daimler, VW oder Siemens, denen mit Kurzarbeitergeld über die Krise geholfen wurde, Milliarden an ihre Aktionäre ausschütten, können die Arbeitgeber schlecht verlangen, dass allein die Beschäftigten den Gürtel enger schnallen.
Die IG Metall darf nun nur nicht den Fehler machen, zu überreizen und die Erwartungen ihrer Mitglieder zu hoch zu treiben. Denn zur Metall- und Elektroindustrie gehören eben nicht nur Daimler, Volkswagen und Siemens, sondern auch der Mittelständler oder der Kleinbetrieb, die weiter unter den Corona-Folgen und dem Strukturwandel leiden. Für alle müssen Antworten gefunden werden, die unter den Flächentarif passen.
Im Ziel, Arbeitsplätze zu erhalten, sind sich Arbeitgeber und IG Metall einig. Das geht am besten mit Differenzierungsmöglichkeiten im Flächentarif. Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch, darüber sollte nun schnell wieder ernsthaft verhandelt werden. Die nächsten Termine sind längst festgelegt. Daher ist es wahrscheinlich, dass nach einem kurzen Warnstreik-Aufbäumen noch vor Ostern die Einigung gelingt.
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