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Kommentar Die Wirtschaft braucht Perspektiven, nicht hastige und schlecht geplante Lockerungen

Der Jo-Jo-Lockdown verunsichert Unternehmen und Bürger. Die fehlende Bereitschaft der Politik, aus den Fehlern der zweiten Welle zu lernen, könnte fatale Folgen haben.
04.04.2021 - 09:33 Uhr Kommentieren
Die Kanzlerin plädiert für härtere Beschränkungen, doch sie dringt damit kaum noch durch. Quelle: AP
Angela Merkel

Die Kanzlerin plädiert für härtere Beschränkungen, doch sie dringt damit kaum noch durch.

(Foto: AP)

Die Politik wirkt ratlos wie selten zuvor. Einzelhandels-, Gastronomie- und Tourismusverbände rufen immer lauter nach umfassenden Lockerungen. Viele Ministerpräsidenten erhören sie, obwohl die stark steigenden Infektionszahlen weitere Öffnungen äußerst riskant erscheinen lassen.

Dabei ist es ein Irrtum zu glauben, dass es der Wirtschaft insgesamt schlagartig besserginge, wenn nur sofort alle Läden, Restaurants und Theater wieder öffnen dürften und der Schutz der Gesundheit nachrangig würde. Sollte die dritte Infektionswelle den Scheitelpunkt der zweiten übersteigen, sollten die Intensivstationen den Patientenansturm nicht mehr bewältigen können, dürften viele Konsumenten offene Läden aus Angst vor Ansteckung meiden.

Die Hoffnung der Politiker, die Wirtschaft so anzukurbeln, bliebe unerfüllt; ja, sie könnte sich sogar ins Gegenteil verkehren. Je später die dritte Welle gebrochen wird, desto länger wird der Lockdown dauern müssen.

Natürlich sehnt sich nach einem Jahr Pandemie jeder und jede nach dem normalen Leben zurück. Es geht aber nicht allein darum, ob geöffnet wird, sondern es muss auch geklärt sein, wann und wie.

Die Wirtschaft insgesamt ist da weit weniger das Problem, als die Regierenden dies fürchten. Im Gegenteil: Die Konjunktur zeigt sich ausgesprochen robust, wie die ersten Daten der Statistiker, die Frühjahrsprognosen und der Ifo-Geschäftsklimaindex zeigen. Erst diese Woche meldete die Zulieferindustrie eine verbesserte Lage, und in den Firmen steigt die Einstellungsbereitschaft. All das spricht für Zuversicht in den nicht geschlossenen Branchen, die 95 Prozent der Volkswirtschaft ausmachen.

Die Wirtschaft vertraut großenteils auf die Impfungen

Vor allem die Exportindustrie ist zu alter Stärke zurückgekehrt, gezogen von den Konjunkturlokomotiven China und USA. Aber auch in der EU hat sich die Industrie erholt. Im März gab es – wegen hoher Nachfrage – sogar Lieferengpässe. Anders als im ersten Lockdown vor einem Jahr ist es den Regierungen weltweit gelungen, Lieferketten nicht zu unterbrechen und den freien Warenverkehr aufrechtzuerhalten.  

Rückenwind verschafft der Konjunktur aber auch die Psychologie: Seit Ende 2020 vertrauen offensichtlich die meisten Unternehmen auf das Ende der Pandemie durch Impfungen. Entgegen den Erwartungen wuchs die Wirtschaft im vierten Quartal 2020 trotz des Lockdowns sogar leicht. Das Vertrauen haben nicht einmal das schleppende Impftempo und die zögerliche Versorgung mit Schnelltests grundlegend zu erschüttern vermocht.

Die verbreitete Erwartung lautet: Es kann sein, dass der Aufschwung erst im dritten statt schon im zweiten Quartal so richtig an Fahrt gewinnt. Entscheidend für die Konjunktur aber ist seit dem Jahreswechsel die Zuversicht: Der Aufschwung wird kommen, so, wie er auch im Sommer 2020 nach dem Ende des ersten Lockdowns kam.

Damit zeigt die Wirtschaft mehr Weitsicht als die Regierungen von Bund und Ländern. Sie haben es bisher nicht geschafft, den Weg zum Ziel – bis spätestens August sind 70 Prozent der Erwachsenen geimpft – so sicher wie möglich zu gestalten. Und sicher heißt auch aus Sicht der Firmen: ohne explodierende Infektionszahlen.  

Was schadet, ist der endlose Jo-Jo-Lockdown

Die jetzige Lage schadet jedenfalls der Wirtschaft mehr, als wenn es Anfang März keine völlig unvorbereiteten Lockerungen gegeben hätte. Im drei Wochen längeren Lockdown hätte man Massentests in Schulen, Betrieben und vor dem Betreten von Läden planen können. Zu Ostern hätten risikoarm viele Geschäfte und Dienstleister öffnen können. Verpasste Chance.

Stattdessen ist Deutschland jetzt im Jo-Jo-Lockdown gefangen, in dem auf chaotische Öffnungen der nächste Lockdown folgen wird. Er dürfte wohl auch im zweiten Quartal das Wachstum dämpfen. Das Muster lässt sich in anderen EU-Staaten wie Frankreich, Belgien, Tschechien und Polen studieren und auch, dass es der Wirtschaft stärker schadet, als wenn Lockerungen mit Geduld und Perspektive angegangen würden.

Westliche Demokratien haben kläglich versagt

Im Vergleich zu Asien, Australien, sogar einigen afrikanischen Staaten haben die westlichen Demokratien bei der Eindämmung der Pandemie kläglich versagt: Das Virus diskutiert nicht über individuelle Freiheitsrechte. Gesellschaften, die den kollektiven Gesundheitsschutz höher priorisieren, sind in der Pandemie klar im Vorteil.  

Es ist die fehlende Bereitschaft der Politik, aus den Fehlern der zweiten Welle zu lernen und Lockerungsschritte klug zu organisieren, was die Konjunktur gefährdet. Hatte man nach der letzten Ministerpräsidentenkonferenz bereits den Eindruck, schlecht regiert zu werden, fühlt es sich seit Merkels Talkshow-Auftritt am vergangenen Sonntag so an, als würde gar nicht mehr regiert.

Greift die Unsicherheit über die politische Handlungsfähigkeit der größten europäischen Volkswirtschaft erst um sich, dann wäre der Aufschwung tatsächlich in Gefahr. Es wäre eine doppelte Kapitulation: die Pandemie nicht eingedämmt, die Wirtschaft abgestürzt. Verheerender könnte die Bilanz für Kanzlerin und Ministerpräsidenten nicht ausfallen.

Mehr: Höchster Wert seit Juni 2019: Ifo-Geschäftsklimaindex steigt deutlich

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