Kommentar Draghis Pläne sind richtig, nun braucht es Taten

Der Premier muss auf seine Worte Taten folgen lassen.
Das Bild, das Mario Draghi von seinem Land zeichnet, ist eines der verpassten Chancen: Zwischen 1999 und 2019 ist Italiens Wirtschaft um 7,9 Prozent gewachsen, schreibt der Premier im Vorwort zu seinem milliardenschweren Wiederaufbauplan.
In der gleichen Zeit liege das Plus in Deutschland bei 30,2 Prozent, in Spanien gar jenseits der 43. Während die Produktivität im europäischen Schnitt in den vergangenen zwei Jahrzehnten zugenommen habe, sei sie in Italien um rund sechs Prozent gesunken.
Vor der Pandemie, schreibt Draghi, hätten 98,9 Prozent der Verwaltungsangestellten noch nie im Homeoffice gearbeitet. Ein Zivilprozess in der ersten Instanz dauere im Schnitt mehr als 500 Tage. Die Frauenerwerbstätigkeit liege mit 53,8 Prozent deutlich unter dem EU-Schnitt (67,3). „All diese Probleme könnten Italien zu einer wachstumsschwachen Zukunft verurteilen, aus der es immer schwieriger wird zu entkommen“, lautet Draghis Resümee.
191,5 Milliarden Euro erhält Italien aus dem EU-Wiederaufbaufonds – mehr als jedes andere Land. 68,9 Milliarden Euro davon sind Zuschüsse, die Rom nicht zurückzahlen muss. Obendrauf legt Draghi noch einen 30 Milliarden Euro schweren nationalen Fonds.
So bitter die Bestandsaufnahme des ehemaligen Notenbankers ist, so erfrischend konkret sind auch die Lösungen auf den 332 Seiten, die der Premier am Dienstag durchs Parlament bringen – und am Freitag nach Brüssel schicken will: Um mehr Frauen in Jobs zu bringen, verspricht der Premier 228.000 neue Kita-Plätze. Um die Verwaltung zu modernisieren und endlich mehr Bürgerservice zu digitalisieren, will er mehr als zehn Milliarden Euro ausgeben.
Draghi muss bald handeln
Um die Jugendlichen bei der Ausbildung und Jobsuche zu unterstützen, sind Ausgaben von mehr als 14 Milliarden Euro vorgesehen. Das sind die Zahlen, an denen sich die neue Regierung messen lassen muss.
Die Milliarden aus Brüssel sind aber nur dann eine große Chance, wenn sie das Land langfristig verändern, wenn sie tief greifende Reformen anstoßen. Wenn sie nicht nur für kurze Zeit das Bruttoinlandsprodukt anheben, sondern verkrustete Strukturen aufbrechen, die das Land seit Jahrzehnten lähmen.
Die EU-Kommission hatte daran bis zuletzt ihre Zweifel, wollte Italien dem Vernehmen nach noch mehr Zeit fürs Umschreiben des Plans einräumen. Doch Draghi drückte aufs Tempo – und hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sein Wort gegeben: Er persönlich garantiere für die Reformen.
Es ist auch dieses Versprechen, an dem sich Draghi nun messen lassen muss. Die erste Tranche aus Brüssel soll schon bis Juli ankommen. Draghi muss auf seine großen Worte Taten folgen lassen – und das schon bald.
Mehr: Lesen Sie hier, was Draghi mit Europas Milliarden vorhat.
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