Kommentar Ein Blick auf die Anleihemärkte zeigt: Die Angst vor einer neuen Euro-Krise bleibt aus

Die Märkte setzen auf eine Einigung im Haushaltsstreit beim nächsten EU-Gipfel am 10. Dezember.
Eine Einigung auf den EU-Haushalt und den zur Bekämpfung der Corona-Folgen dringend nötigen Wiederaufbaufonds wird nicht leicht. Ungarns rechtsnationaler Premier Viktor Orbán und sein polnischer Amtskollege Mateusz Morawiecki blockieren sowohl den EU-Haushalt mit 1,1 Billionen Euro als auch den so dringend benötigten 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie.
Es herrscht also wieder Streit in der EU über Hilfen, ohne die gerade die wirtschaftlich schwächsten Mitglieder der Union in eine noch tiefere Krise schlittern würden. Das weckt erschreckende Erinnerungen an die Euro-Krise. Ein Blick auf die Anleihemärkte zeigt aber: Von Ängsten um die EU-Länder oder gar den Zusammenbruch der Euro-Zone ist – anders als vor acht Jahren – rein gar nichts zu spüren.
Ganz im Gegenteil: Selbst die Anleihen der europäischen Südländer gelten aus Sicht der Investoren offensichtlich als sichere Anlage. Die Nachfrage nach den Zinspapieren ist ungebrochen, und die Kurse steigen seit Monaten rasant. Die Folge: Die Renditen von zehnjährigen italienischen, spanischen und portugiesischen Anleihen sinken und sinken.
Fast null Prozent in Portugal
Am Freitag haben sie historische Tiefs von 0,6 Prozent in Italien, 0,06 Prozent in Spanien und unter 0,02 Prozent in Portugal markiert. Auch die Risikoaufschläge im Vergleich zur Rendite der deutschen Bundesanleihe mit ihren zuletzt knapp minus 0,6 Prozent sind nicht gestiegen.
Investoren differenzieren zwar noch zwischen den Risiken der einzelnen Länder: Für die Bonds aus dem enorm verschuldeten Italien verlangen sie die höchste Rendite. Außerdem honorieren sie offensichtlich, dass Portugal mit Blick auf die Haushaltspolitik und den Anstieg der Neuverschuldung vorsichtiger ist als Spanien.
Insgesamt signalisieren die Anleihemärkte aber große Zuversicht, dass sich die EU-Länder bei ihrem nächsten Gipfel am 10. Dezember auf eine Freigabe der Gelder einigen werden. Außerdem zeigt sich, dass Investoren weiterhin auf die Europäische Zentralbank (EZB) setzen. EZB-Chefin Christine Lagarde hat schließlich indirekt schon angekündigt, dass die Notenbank im Dezember eine Aufstockung ihres schon jetzt 1,35 Billionen Euro schweren Anleihe-Notkaufprogramms ankündigen wird.
Anders als in früheren Zeiten stellen Investoren somit auch das Zusammenspiel von Fiskal- und Notenbankpolitik nicht infrage – den Störfeuern aus Ungarn und Polen zum Trotz.
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