Kommentar Eine generelle Aufstockung des Kurzarbeitergeldes wäre der falsche Weg

Der Arbeitsminister will Arbeitnehmer in der Coronakrise stärker entlasten.
Sympathiepunkte sind Hubertus Heil sicher. Der Arbeitsminister hat sich die Gewerkschaftsforderung zu eigen gemacht, das Kurzarbeitergeld von 60 auf 80 Prozent aufzustocken. Der Vorschlag ist gerade bei Geringverdienern populär. Schließlich erleiden im erzwungenen Coronawartestand nicht nur Firmen Umsatzverluste, sondern auch Beschäftigte empfindliche Einkommenseinbußen. Und doch wäre es falsch, sollte der Koalitionsausschuss an diesem Mittwoch eine generelle Aufstockung beschließen – aus vier Gründen:
Erstens: Das Prinzip Gießkanne würde zu erheblichen Mitnahmeeffekten führen. Viele Unternehmen, die es sich wirtschaftlich leisten können, stocken schon heute das staatliche Kurzarbeitergeld aus eigenen Mitteln auf, darunter börsennotierte Konzerne.
Nimmt ihnen der Staat jetzt diese Aufzahlung ab, geht das zulasten der Beitragszahler und zugunsten der Aktionäre. Ganz nebenbei würde die Regierung trotz ihres Bekenntnisses zur Tarifautonomie genau die Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften aushebeln, die schon jetzt eine Zuzahlung vorsehen.
Zweitens: Das Kurzarbeitergeld ist – genau wie das Arbeitslosengeld – nicht zur Sicherung des Lebensstandards gedacht. Es dient vielmehr dem vorrangigen Zweck, das Überleben der Unternehmen in einer Krise zu sichern und so Arbeitslosigkeit vermeiden zu helfen.
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Trotzdem fällt niemand ins Bodenlose, weil es ja – drittens – noch ein Auffangnetz gibt. Wo das Kurzarbeitergeld nicht reicht, stockt der Staat es mit der Grundsicherung auf – derzeit ohne Vermögensprüfung. Und die wird, weil aus Steuermitteln bezahlt, vor allem von Besserverdienern finanziert. Für eine generelle Aufstockung des Kurzarbeitergelds würden dagegen auch Geringverdiener zur Kasse gebeten, weil sie kaum Steuern, aber Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlen, aus der das Kurzarbeitergeld finanziert wird.
Viertens würden sich mit einer generellen Aufstockung neue Gerechtigkeitsfragen stellen. Warum soll der Arbeitslose sich mit 60 Prozent seines Nettoentgelts zufrieden geben, während der Kurzarbeiter, der sich ja berechtigte Hoffnungen auf den Erhalt seines Jobs machen darf, 80 Prozent bekommt? Eine neue Debatte über die Höhe des Arbeitslosengelds wäre die Folge.
Der beste Weg, Geringverdienern große Einkommenseinbußen zu ersparen, ist, ihre Kurzarbeit möglichst kurz zu halten. Gerade für viele Beschäftigte aus Niedriglohnsektoren wie dem Gastgewerbe oder dem Einzelhandel lässt die Regierung bisher aber eine Exitstrategie aus den Coronabeschränkungen vermissen. Das ist fahrlässig. Denn je länger Kurzarbeit dauert, desto wahrscheinlich werden aus Kurzarbeitern Arbeitslose. Und dann hilft auch kein höheres Kurzarbeitergeld.
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