Kommentar Es braucht einen Plan gegen den deutschen Ökonomen-Aderlass

Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft verlässt die Forschungseinrichtung in Kiel.
Früher war alles leichter – auch unter Ökonomen. Wenn man einen Wirtschaftswissenschaftler etwas fragte, war die Antwort selten überraschend. Die Keynesianer auf der einen Seite sahen die Antwort in einem stärkeren Eingreifen des Staates, die Ordoliberalen fixierten sich stets auf die Selbstheilungskräfte des Marktes. Das ist Geschichte.
Die Modernisierung der Wirtschaftsforschung hat dafür gesorgt, dass die Ökonomen aus ihrem institutionellen Rahmen herausgewachsen sind. Das zeigt nicht zuletzt die komplizierte Suche nach einem Nachfolger am Institut für Weltwirtschaft für Ex-Präsident Gabriel Felbermayr. Es braucht schleunigst einen Plan aller Beteiligten, um das zu ändern. In Zeiten zunehmender politischer Polemik bedarf es in Deutschland guter Ökonomen und guter Politikberatung dringender denn je.
Die Notwendigkeit eines neuen Rahmens ergibt sich daraus, dass sich die deutschen Ökonomen heute eben nicht mehr in ideologische Schubladen schieben lassen. Sie werden sicherlich noch durch ihre Denkschule beeinflusst, sehen diese aber nicht zwangsläufig als die einzige Wahrheit an.
Der Direktor des arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, machte gemeinsame Sache mit dem SPD-Mitglied Jens Südekum, als sie zusammen Vorschläge für den Umgang mit der Schuldenbremse präsentierten. Ifo-Präsident Clemens Fuest sieht in den steigenden Inflationsraten ein vorübergehendes Phänomen.
Und der „Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen“ formuliert gemeinsame Positionen anstatt ein Festival von Minderheitsvoten. – Vor ein paar Jahrzehnten hätten diese Sätze noch wie ein Märchen geklungen.
Warum all der Stress?
Und so offen, wie die Ökonomen in ihren Denkweisen inzwischen geworden sind, so gilt das auch für ihre Arbeitsweise. Flexible Kooperationen mit verschiedenen Einrichtungen, direkter Austausch untereinander, keine langen bürokratischen Hemmnisse, das ist der Wunsch der allermeisten.
Nur bekommen sie das in Deutschland immer weniger geboten – was nicht an den Verantwortlichen in den Instituten liegt, sondern an den ihnen gegebenen Rahmenbedingungen. Siehe Felbermayr: Bund, Länder, Leibniz-Gemeinschaft, Universität, alle haben etwas mitzureden. Und so fragen sich immer mehr Ökonomen: Warum all der Stress? Die Abwanderung in die USA und nach Großbritannien verstärkt sich zunehmend. Das muss ein Warnsignal sein.
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