Kommentar Europa und die USA müssen im Mittleren Osten eine faire Machtbalance schaffen

Der Neustart der iranisch-amerikanischen Beziehungen in der Nach-Trump-Ära ist akut in Gefahr.
Dass Irans Außenminister Javad Zarif auf Deutsch twittert, gab es noch nie. Doch am Sonntag richtete er im Kurznachrichtendienst eine besondere Botschaft an Europa und die Bundesregierung. Die internationale Gemeinschaft und insbesondere die EU sollten „ihre beschämenden Doppelstandards aufgeben und diesen Akt des Staatsterrors verurteilen“. Anlass war das Attentat auf den iranischen Atomwissenschaftler Mohsen Fakhrizade, für das der Iran den Erzfeind Israel verantwortlich macht.
Natürlich geht Irans Führung nicht als unschuldiges Opfer durch: Immer wieder hat Teheran Regimegegner im In- und Ausland ermorden lassen. Aber immer wieder wurden auch führende iranische Forscher Opfer von Attentaten. Die Klagen darüber halten sich international meist in Grenzen.
Daraus hat sich im Iran eine Art nationales Trauma entwickelt. Teheran hat gelernt, dass aus anderen Ländern kein Mitleid zu erwarten ist. Stattdessen misstraut die Führung dem Ausland. Umgekehrt hat der Iran wenig dafür getan, für Stabilität in der Region zu sorgen.
Das iranische Regime sieht sich von Feinden umringt: Israel verfügt über Atomwaffen und tut alles dafür, dass andere sie nicht bekommen. Saudi-Arabien unterstützt massiv die sunnitischen Moslems – zulasten der Schiiten, die im Iran die Mehrheit stellen. Seit Jahrhunderten brechen in der Region immer wieder ethnische und religiöse Konflikte auf.
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In diesem Minenfeld gegenseitigen Misstrauens muss Teheran jetzt eine Antwort auf den Mordanschlag finden. Die Situation erinnert an die amerikanische Drohnenattacke auf den obersten Auslandskommandeur der Revolutionsgarden im Januar. Damals reagierte die iranische Führung verhalten. Ihre Antwort beschränkte sich auf Drohgebärden.
Jetzt steht Teheran erneut vor einer schwierigen Wahl: Soll die Armee israelische Ziele angreifen? Das aber würde einen Neustart der Beziehungen zu den USA nach der Machtübergabe an Joe Biden gefährden. Doch eine erneute faktische Nullreaktion wie im Januar könnte dem Iran als Schwäche ausgelegt werden – und Rivalen wie Saudi-Arabien dazu verleiten, ebenfalls den Iran anzugreifen.
Jetzt ist Diplomatie gefragt – eine Disziplin, die Irans Führung kaum beherrscht. Aber auch Europa muss endlich mehr tun, als zu schweigen oder die Taten lediglich zu verurteilen. Wenn Russland im Berliner Tiergarten einen Oppositionellen ermorden lässt, muss dies genauso zu Konsequenzen führen, wie wenn Israel im Iran Forscher töten lässt. Wenn Europa seine äußerst fragile Nachbarregion stabilisieren will, muss es zusammen mit den USA eine gerechte Balance dort schaffen.
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