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Kommentar Europas Symbolpolitik ersetzt keine China-Strategie

Erstmals seit mehr als 30 Jahren verhängt die EU Sanktionen gegen Peking. Den USA wird das kaum reichen. Unternehmen geraten zwischen die Fronten.
22.03.2021 - 18:00 Uhr Kommentieren
EU-Flagge und  die Flagge Chinas bei einem Gipfeltreffen in Peking 2018. Quelle: Reuters
EU verhängt Sanktionen gegen China

EU-Flagge und die Flagge Chinas bei einem Gipfeltreffen in Peking 2018.

(Foto: Reuters)

Vor 32 Jahren verhängte die EU nach dem Massaker gegen rebellierende Studenten auf dem Platz des Himmlischen Friedens ein Waffenembargo gegen China. Die Sanktionen, die immer noch in Kraft sind, zeigen, woran Europas China-Politik seit mehr als 30 Jahren krankt: Schon damals konnten sich die EU-Mitgliedstaaten nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Frankreich und Großbritannien scherten aus, um ihre militärisch-wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China nicht vollends zu gefährden.

Am Montag haben die EU-Außenminister nun erstmals seit 1989 wieder Sanktionen gegen Peking beschlossen. Diesmal reagiert die EU damit auf Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Minderheit in der chinesischen Provinz Xinjiang, wo Peking nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen rund eine Million Uiguren in Arbeits- und Umerziehungslager einsperrt.

Konkret geht es um Einreiseverbote und das Einfrieren von Vermögenswerten gegen vier chinesische Regierungsmitglieder und eine Institution. Erneut zeigt sich die Schwäche der europäischen China-Politik: ein Minimalkonsens, der niemandem wehtut und deshalb nichts bewirken wird. Symbolpolitik kann eine kohärente China-Strategie jedoch nicht ersetzen.

Eine China-Strategie wird immer wichtiger, je stärker Unternehmen und ihre außenwirtschaftlichen Beziehungen in das Fahrwasser einer Außenpolitik geraten, für die der Systemwettbewerb und das damit verbundene Ringen um Werte an Bedeutung gewinnen.

Die gegenseitigen Abhängigkeiten globaler Wertschöpfungsketten haben die Wirtschaft zur beliebten Arena für den geopolitischen Kampf der Großmächte werden lassen. Das Prinzip Wandel durch Handel wird dadurch oft in sein Gegenteil verkehrt: Je größer der Wertekonsens ist, desto störungsfreier läuft der Außenhandel.

Volkswagen im Kreuzfeuer der Großmächte

Da kann VW-Chef Herbert Diess noch so sehr darauf beharren, dass „ein Konzern keine Diktatur stürzen“ könne, und das Engagement des Autobauers in der Provinz Xinjiang verteidigen, der Spielraum für multinationale Konzerne wird enger. Unternehmen brauchen deshalb eine klare Ansage der Politik, was geht und was nicht geht. Bei der dafür notwendigen Güterabwägung spielen wirtschaftliche Argumente weiterhin eine wichtige, aber nicht unbedingt mehr die allein entscheidende Rolle. Dafür hat sich die Welt zu stark verändert.

Anders als nach dem Mauerfall 1989 kann der Westen heute nicht mehr darauf vertrauen, dass sich die liberalen Demokratien im Ringen mit konkurrierenden Systemen qua historisches Gesetz durchsetzen werden. Chinas ranghöchster Diplomat Yang Jiechi hat bei seinem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken gerade noch einmal darauf bestanden, dass Chinas Modell aus politischer Diktatur und Staatskapitalismus dem Westen mindestens ebenbürtig sei.

Quelle: Burkhardt Mohr
Karikatur
(Foto: Burkhardt Mohr)

Dieses Selbstbewussten stützt sich auf die wachsende wirtschaftliche, technologische und politische Stärke Chinas in der Welt. Kurz nach den EU-Beschlüssen reagierte Peking denn auch mit Vergeltungssanktionen gegen EU-Politiker. Demonstrativ empfing die chinesische Führung am Montag außerdem ihren „engen Partner“, den russischen Außenminister Lawrow, der sein Land als Trutzburg gegen den Westen betrachtet.

US-Präsident Joe Biden hat bereits deutlich gemacht, dass er dieser Herausforderung offensiv begegnen will. Dazu gehört auch, dass Washington die Menschenrechtsverletzung gegen die Uiguren ebenso anprangert wie den Bruch internationaler Abkommen in Hongkong und die destabilisierende Machtpolitik Pekings gegenüber Taiwan.

Für Europa wird es deshalb in Zukunft immer schwieriger, sich mit seinem Zickzackkurs – Proteste und Sanktionen nur, wenn sie wirtschaftlich nicht wehtun – im Umgang mit China durchzuwursteln. Schon beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel am Dienstag wird Blinken versuchen, die Europäer auf eine härtere Gangart gegenüber Peking einzuschwören. Mit ein paar symbolischen Reisebeschränkungen ist es bald nicht mehr getan.

Wandel durch Handel hat sich ins Gegenteil verkehrt

Washington nutzt bereits das ganze Arsenal des Wirtschaftskriegs: von Strafzöllen über Technologieembargos bis hin zu persönlichen Sanktionen gegen hohe Regierungs- und Wirtschaftsvertreter Chinas. Und: Anders als sein Vorgänger Trump weiß US-Präsident Joe Biden, dass seine mit Abstand stärkste Waffe gegen Peking die weltweiten Bündnisse Amerikas sind. Deshalb hat Biden gerade die Allianz mit drei indopazifischen Ländern erneuert, deshalb wird er auch den Druck auf Europa verstärken.

Zwar hat Europa den USA einen Dialog über eine gemeinsame China-Strategie angeboten. Der konkreteste Vorschlag aus Brüssel ist bislang jedoch nur ein transatlantischer Handels- und Technologierat, der für eine gemeinsame Linie auch gegenüber China sorgen soll.

Solange die Europäer jedoch untereinander uneins darüber sind, wo sie Peking gegenüber Härte zeigen und wo sie mit China zusammenarbeiten wollen, wäre ein solches Gremium nicht mehr als ein „talking shop“.

Hinderlich ist es außerdem, wenn Europas Spitzenpolitiker fortlaufend von einer „strategischen Autonomie“ oder „strategischen Souveränität“ schwadronieren, ohne zu sagen, was genau damit gemeint sein soll.

Allzu oft wird damit klammheimlich eine Äquidistanz zwischen Washington und Peking suggeriert. Eine Flucht Europas ins weltpolitische Niemandsland ist aber nicht nur eine gefährliche Illusion, sondern wäre einmal mehr eine Flucht aus der weltpolitischen Verantwortung.

Mehr: EU verhängt Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen in China

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