Kommentar FPÖ gegen den ORF: Verschnaufpause im Gefecht um die rote Linie

Zwischen den beiden Koalitionspartnern gibt es Streit um die Rolle des öffentlichen Rundfunks in Österreich.
Nach langem Zaudern hat Sebastian Kurz nun doch eine klare rote Linie im Streit um einen unabhängigen Journalismus gezogen. „Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. (..) Drohungen gegenüber Journalisten haben absolut keinen Platz“, sagte Österreichs Bundeskanzler in Anspielung auf Harald Vilimsky. Der FPÖ-Spitzenkandidat für die Europa-Wahlen hatte in der ORF-Sendung ZiB 2 dem Moderator Armin Wolf nach kritischen Fragen zu einer rassistischen FPÖ-Karikatur und seinem Vergleich mit dem Nazi-Hetzblatt „Stürmer“ schwer attackiert.
Kurz hat reagiert, indem er sich selbst im öffentlich-rechtlichen Sender ORF den kritischen Fragen des wohl bekanntesten österreichischen Journalisten stellte. Es war ein gutes Gespräch. Kurz, ausgestattet mit Gespür zur Stimmungslage im Land, wollte zeigen, dass er zum ORF steht.
Ob das Gespräch allerdings den Schaden beseitigen kann, den Kurz‘ Koalitionspartner FPÖ mit seinen ständigen Angriffen gegen den öffentlich-rechtlichen Sender angerichtet hat, darf bezweifelt werden. Die FPÖ wird sich kaum an die roten Linien halten, die Kurz zum Schutz des unabhängigen Journalismus gezogen hat.
Eine wirkliche Abgrenzung zum Rechtsextremismus ist von der Partei kaum zu erwarten. Das fängt bereits beim Parteichef Heinz-Christian Strache an. Das rechtsextrem konnotierte Wort „Bevölkerungsaustausch“ will der Vizekanzler auch weiterhin verwenden.
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Im Gegenteil: Die rechtspopulistische Partei wird zur dauerhaften Belastungsprobe für Kurz und seine konservative ÖVP. Seit der Übernahme von Regierungsverantwortung vor eineinhalb Jahren hat die FPÖ mit ihren Skandalen, Beleidigungen und Angriffen dem Ansehen Österreichs großen Schaden zugefügt. Auch wenn Strache im ORF-Streit erst mal vorsichtig agiert, an seiner radikalen Ablehnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat sich nichts geändert.
Noch im Sommer wird die Koalition ein neues ORF-Gesetz auf den Weg bringen. Die Gerätegebühr soll durch eine Finanzierung aus dem Staatshaushalt ersetzt werden. Damit verschafft sich die jeweilige Regierung nach osteuropäischem Vorbild direkten Einfluss auf die Finanzen des größten Medienunternehmens des Landes. Die Freiheit und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – eine wichtige Säule der Demokratie – wären bedroht.
Die Vorgänge in Österreich sind daher auch ein mahnendes Lehrbeispiel für Deutschland. Die AfD nimmt sich die FPÖ und deren Medienpolitik zum Vorbild – und erklärt die Öffentlich-Rechtlichen zum großen Feind. Es steht zu befürchten, dass sich die Hetze im Vorfeld der Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen verschärfen wird. Die Verteidigung der Pressefreiheit ist daher wichtiger denn je.
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