Kommentar Geld alleine reicht nicht gegen die Coronakrise

Geld alleine reicht nicht: Wenn Deutschland die Coronakrise bewältigen will, braucht es auch Reformen.
Die deutsche Wirtschaft steckt in der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte; manch ein Ökonom vergleicht die Lage gar mit der Großen Depression vor fast 90 Jahren.
Seit der Austeritätspolitik des damaligen Reichskanzlers Brüning weiß man, dass der Staat einem Einbruch der Wirtschaft nicht hinterhersparen, sondern mit defizitfinanzierten zusätzlichen Ausgaben fehlende private Nachfrage ersetzen sollte. In Zeiten nachfragebedingter Krisen schlägt nun einmal die Stunde des Keynesianismus.
Auch dank solch einer antizyklischen Fiskalpolitik dauerte bislang keine Rezession in der deutschen Nachkriegsgeschichte länger als ein Jahr. Dabei kam Deutschland allerdings meist auch seine exportstarke Industrie zugute, die von einer wieder anziehenden Auslandsnachfrage profitierte. So war Deutschland in der Rezession 2009 großer Nutznießer der wirtschaftlichen Expansion Chinas.
Doch dieses Mal ist vieles anders. Die globale Corona-Pandemie führte dazu, dass nicht nur die Nachfrage nach Investitionsgütern, sondern auch der private Konsum wegbrach. Anders als 2009 sind dieses Mal nicht die nur acht Millionen Industriearbeiter betroffen, sondern auch viele der 33 Millionen Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor.
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Und obwohl sich Millionen Rentner, Staatsbedienstete und Transferempfänger keine Sorgen um ihre Einkommen machen mussten, reduzierten sie ebenfalls ihren Konsum deutlich. Und so stürzte im ersten Halbjahr 2020 das deutsche Bruttoinlandsprodukt um mutmaßlich 14 Prozent im Vergleich zum Jahresanfang ab und liegt nun auf dem Niveau vom Herbst 2010. Die in einer Dekade erwirtschafteten Wohlstandsgewinne lösten sind binnen weniger Wochen in Luft auf.
Hohe Wohlstandsverluste
Falls es tatsächlich gelingt, diese Wohlstandsverluste bis 2022 aufzuholen, dürfte dies auch den beherzten Maßnahmen der Regierung zu verdanken sein. Ihre riesigen Rettungspakete sicherten Millionen Arbeitsplätze und wirtschaftliche Existenzen. In so einer Situation hilft viel eben auch viel.
Dennoch darf man die dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft selbst in einer solchen Ausnahmesituation nicht aus den Augen verlieren. Denn ebenso wichtig wie die kurzfristige Konjunkturstabilisierung ist es, die Folgen der Krise für das Potenzialwachstum zu beachten. Es besteht nämlich die Gefahr, dass durch die Coronakrise intakte Strukturen unwiederbringlich zerstört werden, wodurch die Basis für künftiges Wachstum verringert wird. Der Wohlstand stiege dann langsamer, und die Möglichkeiten des Staates, Schulden zu tilgen und künftigen Krisen zu begegnen, würden geschmälert.
Zu dauerhaften gesamtwirtschaftlichen Schäden käme es, wenn etwa große Teile eines Jahrgangs keinen Ausbildungsplatz fänden oder nach ihrer Ausbildung nicht übernommen werden könnten. Zudem drohen dauerhafte Nachfrageänderungen, die strukturelle Verwerfungen verursachen könnten, etwa wenn Großveranstaltungen gemieden werden, sich das Reiseverhalten ändert oder verstärkt Online-Angebote gewählt werden.
Schätzungen zufolge wuchs das Produktionspotenzial zwischen 1996 und 2019 um 1,4 Prozent pro Jahr. Im Zeitraum 2020 bis 2024 dürfte dieses Trendwachstum selbst ohne langfriste Pandemiefolgen auf ein Prozent zurückgehen. Gleichzeitig setzt ein kräftiger Alterungsschub ein, der zwei Dekaden andauern und auf alle Bereiche der Volkswirtschaft durchschlagen wird. Die KfW erwartet, dass der resultierende Fachkräftemangel die deutsche Wirtschaft mittel- bis langfristig nicht mehr wachsen lässt.
Erschwerend hinzu kommt, dass die Coronakrise die Arbeitskosten kurz- und vor allem auch mittelfristig in die Höhe treiben wird. Der Bund wird es sich nicht dauerhaft leisten können, die Sozialabgabenbelastung mit Steuergeld auf 40 Prozent zu begrenzen.
Deutschland braucht eine Steuer- und Sozialreform
Bereits im Bundestagswahlkampf 2021 dürfte sich herauskristallisieren, dass zwar vollmundige Wahlversprechen gemacht werden, es aber an Geld fehlen wird, diese in absehbarer Zeit umzusetzen. Die Politik ist sich dessen bewusst und versucht, durch Vorratsverschuldung, die die Rücklagen des Bundes unangetastet lässt, sich für den Wahlkampf Luft zu verschaffen.
Was Deutschland in der nächsten Legislaturperiode dringend braucht, ist eine umfassende Steuer- und Sozialreform. Die hohen Transferentzugsraten für Langzeitarbeitslose müssen abmildert, Gering- und Mittelverdiener entlastet und der rapiden Anstieg der Grenzbelastung von Einkommen im mittleren Bereich abbremst werden. Ferner sollten die Steuern für Unternehmen gesenkt werden, damit Deutschland für Investitionen wieder attraktiver wird.
Deutschland braucht keine Rosskur wie Gerhard Schröders Agenda 2010. Wohl aber sollte in der nächsten Legislatur die Politik den Schwenk von einer nachfrageerhöhenden Politik zu einer Angebotspolitik einleiten. Im Fokus muss die Erhöhung des schwachen Potenzialwachstums stehen. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass sich mit Autoindustrie und Maschinenbau zwei Schlüsselindustrien in der Krise befinden und die Energiewende leider die Strompreise nach oben treibt.
Mehr: Warum Deutschland schnelle Reformen braucht, lesen Sie hier.
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In Zeiten nachfragebedingter Krisen schlägt nun einmal die Stunde des Keynesianismus. -- Das klingt wie Frau Merkels alternativlos. Sollte es nicht eine solide Abwägung zwischen Kosten und Nutzen geben? Gehören da Geldgeschenke, wie z.B. auf EU Ebene geplant, ohne Kontrolle und Verwendungszweck dazu? Wie hoch will man nachfolgende Generationen überschulden und ihnen jeden finanziellen Spielraum nehmen? Macht es Sinn, Industriezweige zu stützen die nicht zukunftsfähig sind und damit eine Anpassung an die neue Realität mit Geldgeschenken zu verzögern? Corona wird zu Anpassungen führen, finanziell wird sich keine Nation oder Union der Welt dagegen stemmen können, maximal durch Überschuldung sich selbst aus dem Rennen nehmen.