Kommentar Geschwindigkeitsangaben mit dem Zusatz „bis zu“ sind eine Farce

Das Unternehmen verspricht 500 MBit/s.
Die Mobilfunker in Deutschland übertrumpfen sich regelmäßig mit besonders starken Werbeversprechen. Vodafone kündigte vor zwei Jahren Geschwindigkeiten von bis 500 Megabit pro Sekunde für die Bundesrepublik an. Die Marketingabteilung des Konzerns überschlug sich mit vollmundigen Versprechen: Kunden bekämen ein Turbonetz, Turbotarife und Turbohandys.
Die Wahrheit sieht jedoch anders aus. Die großspurig beworbenen Spitzengeschwindigkeiten sind fast ausschließlich theoretische Werte. In der Praxis erreicht sie nur selten ein Kunde.
Der Branchendienstleister Opensignal wertete die Daten Tausender Smartphones in Deutschland aus. In einer Studie, die dem Handelsblatt vorliegt, kam das Analyseunternehmen zu dem Schluss, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit in Deutschland gerade einmal bei rund 30 Megabit pro Sekunde (Mbps) im Download liegt.
Und das auch nur, wenn Kunden mit den neuesten Smartphones unterwegs sind. Die Vodafone-Werbeversprechen haben auch nach zwei Jahren nicht viel mit der Realität der Kunden zu tun. Die Rivalen Telekom und Telefónica stehen nicht viel besser da. Sie stellen Highspeed-Raten von 300 Mbps (Telekom) und 225 Mbps (Telefónica) heraus.
Das Schlimme ist: Die Übertreibung hat System. In der Telekommunikationsbrache sind überzogene Versprechungen nicht die Ausnahme, sondern der Standard. Die Konzerne preisen ihre Tarife mit immer neuen Superlativen an. Jede Firma will noch ein bisschen schneller als die Konkurrenz sein.
Ob die Werbeslogans auch die Realität ihrer Kundschaft abbilden, ist zweitrangig. Verlässliche Angaben sind – wenn überhaupt – im Kleingedruckten der Verträge versteckt. Doch dort sieht sie niemand.
Das ist eine große Gefahr. Die Branche hat sich von der Lebenswirklichkeit ihrer Kunden verabschiedet. Die überzogenen Geschwindigkeitsversprechen im Mobilfunk sind nur ein Symptom für ein viel weiter gehendes Problem.
Die Firmen haben sich daran gewöhnt, dass sie ständig übertreiben können. Die Grenze zwischen Realität und Fiktion verwischt zunehmend. Gegenseitig drängen sich die Konzerne zu immer extremeren Aussagen. „Das machen die anderen doch auch so“, verteidigen sich Spitzenmanager, wenn sie auf die Unart angesprochen werden. Allen ist klar, dass die Werbeversprechen völlig überzogen sind. Doch niemand will daran etwas ändern.
Versprechen sind wenig wert
Damit haben die Konzerne jedoch das Vertrauen ihrer Kunden verspielt. Versprechen der Telekommunikationsfirmen sind nicht mehr viel wert. Das mussten die Kunden über Jahre immer wieder schmerzlich lernen. Denn den Realitätsschock erleben sie nicht nur beim Mobilfunk, sondern auch beim Festnetz. Auch dort werben die Firmen eigentlich nur mit „Bis zu“-Geschwindigkeitsangaben.
Die Zahlen aus der Werbung sind im besten Fall noch eine Richtgröße. Im schlechtesten Fall sind sie einfach eine Erfindung der Marketingabteilungen.
Wer heute auf angeblich Hunderte Megabit pro Sekunde bei seinem Breitbandanschluss zurückgreifen will, ist in der Praxis oft schon froh, wenn sich das Fernsehen zu Abendzeiten streamen lässt. Denn gerade bei den Kabelnetzbetreibern kommt das Netz zu Stoßzeiten in Ballungszentren immer wieder an Grenzen.
Wenn die Nachbarn auch alle gerade am Sonntagabend den Tatort im Stream schauen, werden schnell aus den versprochenen 400 Mbps nur noch vier Mbps. Die Folge: Der Film verkommt zur Diashow.
Vertrauen ist eine flüchtige Ressource. Sie muss lange aufgebaut und kultiviert werden. Sie kann sich jedoch schnell auflösen.
Die Folgen könnten die Netzbetreiber bald zu spüren bekommen. Die Mobilfunker haben bei der Versteigerung der 5G-Frequenzen in Deutschland Höchstgebote mit einer Summe von rund 6,5 Milliarden Euro abgegeben. Nun müssen sie weitere Milliarden investieren, um ihre Infrastruktur auch für die nächste Mobilfunkgeneration aufzurüsten.
Die hohen Investitionskosten müssen sich rechnen. Daher müssen sie die Kunden davon überzeugen, dass das schnelle Netz den Aufpreis wert ist. In den Szenarien der Netzbetreiber soll 5G vor allem bei der Vernetzung der Industrie zum Einsatz kommen.
In den sensibelsten Bereichen der Fertigung soll der Echtzeitmobilfunk für mehr Effizienz und Verlässlichkeit sorgen. Doch welcher Industriemanager traut den vollmundigen Versprechen der Netzbetreiber, wenn er auf seinem Smartphone und bei seinem Breitbandanschluss täglich merkt, dass die Tarife oft nicht das halten, was die Werbung verspricht?
Die CEOs der Netzbetreiber müssen Ehrlichkeit vertreten. Sie sollten ihre Marketingabteilungen zurückpfeifen. Geschwindigkeitsangaben mit dem Zusatz „bis zu“ sind eine Farce. Darauf kann sich kein Kunde verlassen. Vodafone, Telekom und Telefónica sollten Angaben machen, die der Realität ihrer Kunden entsprechen.
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