Kommentar: Tauber und Rödder brechen ein überfälliges AfD-Tabu


Wenn ehemals einflussreiche Unionspolitiker wie Peter Tauber und Andreas Rödder öffentlich für einen neuen Umgang mit der AfD werben, ist das kein parteiinternes Störmanöver, sondern ein Weckruf.
Die Union steckt in einem strategischen Dilemma: Sie spürt den Wunsch vieler Bürger nach einem konservativeren Kurs, kann diesen aber weder mit der SPD noch im Rahmen der „Brandmauer“ umsetzen. Die Folge ist politische Lähmung und ein wachsender Frust, den die AfD gezielt ausnutzt.
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Tauber und Rödder schlagen nun eine Politik der roten Linien vor. Das ist keine Einladung zur Zusammenarbeit, sondern eine Einladung zur Verantwortung. Gemeint ist ein klarer Rahmen, innerhalb dessen politische Sachfragen entschieden werden können, ohne dass sofort der Verdacht der Nähe zur AfD entsteht.
Zugleich formuliert diese Strategie unmissverständliche Bedingungen: Ein Aufweichen der Brandmauer kann es nur geben, wenn die AfD sich klar von rechtsextremen Positionen und Figuren abgrenzt. Erst dann wäre sie überhaupt ein Gesprächspartner im demokratischen Raum.
Damit liegt der Ball bei der AfD. Würde sie diese Abgrenzung tatsächlich vollziehen, müsste sie sich von Teilen ihrer Basis und zentralen Überzeugungen lösen, was höchst unwahrscheinlich ist. Tut sie es nicht, ist ihre Isolation selbstverschuldet.
Genau das wäre der Unterschied zur Brandmauer: Sie setzt die AfD überhaupt nicht unter Druck, sondern stabilisiert ihr Opfer-Narrativ. Die roten Linien dagegen zwingen sie zur Wahl: Demokratie oder Radikalismus.
Natürlich ist die AfD keine normale Partei und sollte von Regierungsverantwortung ferngehalten werden. Aber wer ihr wirklich entgegentreten will, darf ihr nicht nur die kalte Schulter zeigen, sondern muss sie politisch stellen. Die Politik der roten Linien wäre dafür der richtige Ansatz.
Sie erlaubt klare Abgrenzung, aber auch inhaltliche Auseinandersetzung. Wer wie die AfD eine russlandfreundliche Politik betreibt, den Euro infrage stellt oder den Klimawandel leugnet und deshalb die Energiewende abwickeln will, überschreitet eine rote Linie.
So könnte die Union politische Handlungsfähigkeit zurückgewinnen, ohne Preisgabe demokratischer Werte, aber mit dem Mut zur Auseinandersetzung. Das ständige Beschwören der Brandmauer hingegen ersetzt keine inhaltliche Auseinandersetzung. Es mobilisiert keine enttäuschten Wähler zurück, sondern treibt sie weiter in die Arme jener, die einfache Antworten versprechen.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels vom 15.10.2025 hieß es, auch Karl-Theodor zu Guttenberg unterstütze die Lockerung der Brandmauer zur AfD. Diese Darstellung hat Guttenberg als Falschdarstellung seiner Aussagen in einem Interview zurückgewiesen. Der Artikel wurde daraufhin aktualisiert.
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