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Kommentar Herbert Diess hat sich verkalkuliert – und wird zur Belastung für VW

Der VW-Chef schadet sich selbst mit der Forderung nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung. Nun muss der Autobauer eine unnötige Führungsdebatte führen.
30.11.2020 - 16:19 Uhr Kommentieren
Der VW-Chef fordert vom Aufsichtsrat eine Verlängerung seines Vertrags. Quelle: dpa
Herbert Diess

Der VW-Chef fordert vom Aufsichtsrat eine Verlängerung seines Vertrags.

(Foto: dpa)

Herbert Diess könnte eigentlich zufrieden mit seiner Arbeit sein. Mit ihm an der Vorstandsspitze hat sich der Volkswagen-Konzern grundlegend gewandelt. Der Hersteller von Käfer und Golf gehört heute zu den führenden Herstellern von Elektroautos, und selbst in der Coronakrise kann VW Gewinne ausweisen.

Zugleich hat sich das Unternehmen von den Schatten des Abgasskandals befreit. Das Unternehmen steht nach zweieinhalb Jahren mit Diess im Branchenvergleich gut da.

Dem Mann reicht dieser Erfolg aber nicht. Er fordert vom Aufsichtsrat eine Verlängerung seines Vertrags. Nötig ist diese Maßnahme zwar nicht. Sein Kontrakt läuft noch bis April 2023. Erst in anderthalb Jahren könnte den Regeln entsprechend über den Verbleib von Diess diskutiert werden. Der 62-Jährige verlangt aber jetzt eine Neuauflage, weil er das als besonderen Vertrauensbeweis erachtet.

Nötig sei das, so streut es sein Umfeld, weil Betriebsratschef Bernd Osterloh die Arbeit von Diess blockiere. Dabei geht es vor allem um die Besetzung der Vorstandsressorts Finanzen und Beschaffung, die vakant sind. Osterloh verhindere die Wunschkandidaten des VW-Chefs, lautet die Anschuldigung aus dem Diess-Lager.

Zwar bestätigt niemand aus den Kreisen des Managements und der Großaktionäre diese Darstellung. Aber Diess mag sich eben vom Betriebsrat in der Entfaltung seiner Managementqualitäten behindert fühlen. Überrascht haben kann ihn das eigentlich nicht; denn bei Volkswagen ist der Betriebsrat stärker als in anderen Unternehmen. Diess wusste das, als er von BMW zu VW wechselte.

Mit seiner Kritik an den Machtverhältnissen in Wolfsburg mag Diess in Teilen sogar recht behalten. Das ist aber nicht entscheidend. Jedem Aktionär, jedem Mitarbeiter und jeder Führungskraft sollte aber zu denken geben, was der VW-Chef mit der Forderung nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung offenbar im Sinn hat.

Hier liegt das eigentliche Problem. Diess bemüht sich nicht darum, eine Lösung auf konstruktivem Wege zu finden. In jedem Unternehmen in dieser Republik muss sich eine Führungskraft mit dem Betriebsrat rumschlagen, um Neuerungen oder Einsparungen zu erreichen. Es ist mühsam, aber es ist die tägliche Arbeit.

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Diess scheint darauf keine Lust mehr zu haben. Er stellt mit der Vertragsverlängerung eine Forderung im Schwarz-weiß-Schema. Entweder Osterloh oder eben er, das steckt eigentlich hinter seinem Ansinnen auf einen neuen Vertrag.

Jeder Manager mag solche Mittel einsetzen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Wenn es aber um die eigene Position und nicht um die des ihm anvertrauten Unternehmens geht, dann ist Zurückhaltung angebracht. Diesen Grundsatz missachtet Diess einmal mehr. Diese Ich-Fixierung war übrigens ein Grund, warum er bei BMW nicht als Vorstandschef in Betracht kam.

Wie soll nun der Aufsichtsrat entscheiden? Verlängert das Gremium die Verweildauer von Diess, dann sind die 20 Aufseher selbst düpiert. Sie haben sich von einem Mann eine Entscheidung aufzwingen lassen, den sie eigentlich kontrollieren sollten. Der Aufsichtsrat wäre Diess ab dem Tag ausgeliefert. Wer einmal mit einer Erpressung durchkommt, der wird es immer wieder versuchen.

Was wäre, wenn die Kontrolleure den Vertrag einfach laufen lassen? Dann wäre Diess nachhaltig beschädigt. Er selbst hat die Verlängerung zur Vertrauensfrage erklärt. Bekommt er sie nicht, wird das jeder im Unternehmen als Misstrauensvotum verstehen. Der Manager wäre nachhaltig beschädigt, sein Verbleib an der Vorstandsspitze eigentlich undenkbar.

Diess und Osterloh lobten sich gegenseitig

Für seinen Vorstoß hat Diess einen scheinbar guten Zeitpunkt gewählt. Der Familie Porsche/Piëch dürfte als größtem Aktionär daran gelegen sein, dass VW ruhig durch die Coronakrise geführt wird. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und dessen Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) sind derweil mit der akuten Bekämpfung der Pandemie ausreichend beschäftigt. Die beiden Politiker sitzen als Vertreter ihres Bundeslandes, des zweitgrößten Aktionärs, im VW-Aufsichtsrat.

Keiner der 20 Aufsichtsräte hatte ein Interesse an einer Debatte über den Vorstandsvorsitz. Zwar hatte es zwischen dem Gremium und Diess im Sommer gekracht, als der VW-Chef dem Aufsichtsrat Gesetzesverstöße vorgeworfen hatte, die er nicht belegen konnte. Nachdem kurzzeitig ein Rauswurf erwogen worden war, hatten sich die Wogen geglättet. Diess war rehabilitiert. Der frühere Konflikt zwischen Diess und Osterloh war derart runtergedimmt, dass sich die beiden Männer gegenseitig lobten.

Diess hat dieser Frieden nicht gereicht. Wie ein Spieler, der im Casino seine Jetons auf Schwarz oder Weiß platziert, erzwingt er ein Votum des Aufsichtsrats über seine Zukunft. Dass er damit seinem vermeintlichen Gegenspieler letztlich die Entscheidung allein überlässt, nimmt er in Kauf. Nach dem VW-Gesetz ist für eine Vertragsverlängerung eine Zweidrittelmehrheit des Aufsichtsrats nötig. Ohne Osterloh kommt die nicht zustande.

Mehr: Neuer Machtkampf bei VW: Selbst das Aus von Diess ist jetzt möglich

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