Kommentar Hohe Marktanteile, geringe Kosten: Daimler sollte bei LKW-Motoren mit Rivalen kooperieren

Daimler-Betriebsräte wollen schwere Lkw-Motoren auch an Konkurrenten verkaufen.
Düsseldorf Achsen, Getriebe, Dieselmotor – der integrierte Antriebsstrang gilt im Lastwagengeschäft seit fast hundert Jahren als ultimativer Differenziator. Je effizienter das Triebwerk, desto eher sind Spediteure bereit, einen Truck einer bestimmten Marke zu kaufen. Weiche Faktoren wie das Design zählen in dem hart kalkulieren Gewerbe anders als im Pkw-Bereich dagegen wenig.
Auf den ersten Blick mutet es daher einigermaßen töricht an, wenn Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht nun fordert, sein Konzern solle künftig sein wichtigstes Alleinstellungsmerkmal bei Lastwagen – den schweren Motor – auch an Wettbewerber verkaufen. Bei näherem Hinsehen ist das Ansinnen des Gewerkschafters aber vielversprechend.
Der Grund: Auch in der Nutzfahrzeugindustrie steht die Elektromobilität vor dem Durchbruch. Die Bedeutung konventioneller Antriebe und damit ihr Alleinstellungscharakter wird binnen eines Jahrzehnts drastisch abnehmen. Zugleich bleibt der Verbrenner bei tonnenschweren Sattelschleppern aber voraussichtlich in vielen Märkten und bei einigen Anwendungsfeldern noch über einen langen Zeitraum sehr wichtig.
Will Daimler weiter Marktführer bleiben, muss der Konzern mehrgleisig fahren und noch einmal eine neue Generation an schweren Motoren entwickeln. Allerdings rechnet sich der Aufwand von Hunderten Millionen Euro nur, wenn die Stückzahlen in der Produktion hoch bleiben. Da macht es Sinn, die eigene Technik künftig mit Dritten zu teilen.
Aus diesem Ansatz kann sogar eine Win-win-Situation für alle Beteiligten entstehen. Für Daimler, weil der Konzern seine Kosten gering und die Marktanteile hochhalten kann. Für die Mitarbeiter, weil deren bestehende Jobs etwas länger erhalten bleiben.
Fokus auf eine Technik
Und auch für andere Lkw-Hersteller ist das Konzept reizvoll. Schließlich dürften die wenigsten Anbieter über die finanzielle und personelle Kraft verfügen, mehrere Antriebskonzepte parallel weiterzuentwickeln. Sie müssen sich folglich auf eine Technik fokussieren. Mit den zugekauften Aggregaten von Daimler bleiben sie aber überall handlungsfähig.
Zur Wahrheit gehört auch: Bei mittelschweren Motoren, von denen Daimler nicht mehrere Hunderttausend, sondern lediglich einige Zehntausend Stück pro Jahr fertigt, sollte Daimler die eigene Entwicklung einstellen. Die geplante Kooperation mit dem US-Spezialisten Cummins in diesem Segment ist richtig – auch wenn die Gewerkschaft das Projekt in Mannheim weitgehend ablehnt.
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