Kommentar Im Cyberkrieg ist der Westen bisher nur bedingt abwehrbereit

Global vernetzte Unternehmen, die via Internet ihre Forschung und Produktion weltweit betreiben, müssen vor Hackern, staatlichen wie privaten, effektiv geschützt werden.
Amerikas Außenminister Mike Pompeo hat sehr schnell nach dem bekannt gewordenen Cyberangriff auf US-Behörden Russland als Verursacher benannt. Der abgewählte US-Präsident Donald Trump weist, ohne Beweise zu nennen, in Richtung China. Es wird Wochen oder Monate brauchen, falls überhaupt, den Tätern auf die Spur zu kommen.
Merkwürdig ist, dass ausgerechnet kurz vor der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Joe Biden – und damit der Hoffnung auf Tauwetter für Russland und China – ein solch großer Cyberangriff auf wichtige amerikanische Einrichtungen und auf Firmen weltweit bekannt wird. Dies lässt die Frage nach der Urheberschaft zu einem noch wichtigeren politischen Vorfall werden, als es der Angriff selbst ohnehin schon ist.
Russlands Staatsführung dementiert die Verantwortung bereits heftig. Aber es hat zuvor einen nachgewiesenermaßen russischen Angriff auf den Bundestag gegeben. Und auch die Cyberangriffe über eine ukrainische Steuersoftware und die daraus folgenden milliardenschweren Schädigungen westlicher Firmen tragen eine russische Handschrift. Für den Angriff auf die US-Demokraten und die Manipulation der Wahlen vor vier Jahren hatte Washington Sanktionen gegen einige Russen, auch aus Wladimir Putins Umfeld, verhängt.
Russland verfügt über ganze „Troll“-Armeen, die via Internet im Westen Stimmung gegen die hiesigen Regierungen machen. Der Kreml befehligt Hackertruppen seiner Geheimdienste, die in die tiefsten Interna des Westens eindringen sollen.
Dies wird mehr und mehr öffentlich, und so stellt sich die Frage, warum die westliche Cyberabwehr immer noch so umschifft werden kann. Sind wir wieder „bedingt abwehrbereit“? Mit dieser Schlagzeile rief der „Spiegel“ 1962 die Öffentlichkeit wegen eklatanter Mängel von Bundeswehr und Nato bei der Landesverteidigung wach. Heute haben zwar das Bündnis und die Nato-Staaten eigene Cyber-Abwehrstellen aufgebaut. Doch sie sind, wie man jetzt erneut sieht, eben immer noch bedingt abwehrbereit. Auf diesem Schlachtfeld des 21. Jahrhunderts muss dringend hochgerüstet werden.
Denn Daten sind der wertvollste Rohstoff von heute. Nicht nur Behörden müssen sich darauf verlassen können, dass sie sicher sind vor fremdem Zugriff. Auch global vernetzte Unternehmen, die via Internet ihre Forschung und Produktion weltweit betreiben, müssen vor Hackern, staatlichen wie privaten, effektiv geschützt werden. Deshalb müssen Staat und Wirtschaft in Sachen Cybersicherheit viel intensiver kooperieren – und investieren.
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