Kommentar: Im Koalitionsvertrag findet sich die Rechtsform der Zukunft

Einige der erfolgreichsten Unternehmen Deutschlands arbeiten seit Jahrzehnten mit dem Prinzip des sogenannten Verantwortungseigentums.
Wenn sich 600 Unternehmer und Wirtschaftsexperten, darunter die Professorinnen und Professoren Ann-Kristin Achleitner, Michael Hüther und Lars Feld, zu einer Initiative zusammenschließen, dann muss es sich um ein Anliegen von höchster Dringlichkeit handeln. „Wir rufen dazu auf, gemeinsam für die Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft eine gesetzliche Innovation auf den Weg zu bringen: eine Rechtsform für Verantwortungseigentum“, formulierten die Unterzeichner vor Monaten in einer Art öffentlichem Brief.
Jetzt ist der illustre Absenderkreis seinem Ziel deutlich näher gekommen. Im Koalitionsvertrag steht: „Zu einer modernen Unternehmenskultur gehören auch Gesellschaften mit gebundenem Vermögen, (...) für die wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen wollen.“
Erst Verantwortungseigentum? Jetzt gebundenes Vermögen? Nach vielstimmiger Kritik an der Begrifflichkeit hat sich das Etikett geändert, nicht aber das Ziel des Vorhabens: Es dürfte den Koalitionären mit Blick auf eine nachhaltige Wirtschaft darum gehen, eine neue Rechtsform zu schaffen, die es Familienbetrieben und Start-ups leichter möglich macht, unternehmensinterne Werte und ökonomische Selbstständigkeit zu bewahren, selbst wenn kein Nachfolger im jeweiligen Familien- oder Gründerkreis vorhanden ist. Gewinne verbleiben bei der neuen Rechtsform weitgehend in der Firma, das jeweilige Management hat sich ausschließlich an den übergeordneten Unternehmenszielen zu orientieren.
Das sind Leitmotive, die die meisten erfolgreichen Familienunternehmer wahrscheinlich auch unterschreiben würden. Trotzdem waren die Bedenken gegen die Schaffung einer neuen Rechtsform groß und ihre Träger durchaus prominent. Die Rede war davon, dass die Idee des Eigentums ausgehöhlt und vor allem die unternehmerische Motivation untergraben würde. Außerdem, so raunten viele traditionsorientierte Familienunternehmer, gebe es für den Grundgedanken des Verantwortungseigentums doch schon die Rechtsform der Stiftung.
Tatsächlich sind einige der erfolgreichsten Unternehmen Deutschlands wie Robert Bosch oder Carl Zeiss gesellschaftsrechtlich ähnlich organisiert und arbeiten seit Jahrzehnten mit dem Prinzip des sogenannten Verantwortungseigentums, festgehalten beim Stuttgarter Autozulieferkonzern Bosch im Testament des Gründers: Das Unternehmen müsse ein selbstständiges Unternehmen bleiben, und Dividenden müssten für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Denn, so glaubte Robert Bosch, insbesondere angestellte und am Unternehmen gleichsam beteiligte Manager könnten dazu neigen, kurzfristige Gewinne über den langfristigen Unternehmenszweck zu stellen.
Koalitionäre sollten sich von Lobbyisten nicht beeindrucken lassen
Verhindert wird das bis heute bei Bosch durch ein Doppelstiftungsmodell: Danach hält der amtierende Bosch-Aufsichtsratsvorsitzende zwar Stimmrechte am Unternehmen, hat aber keinen Zugriff auf dessen Gewinne. Das Grundprinzip lautet: die Trennung von Stimmrechten und Vermögen.
Wenn das alles heute schon möglich ist, warum benötigt Deutschland dann überhaupt eine neue Rechtsform? Weil diese wie von Bosch oder Zeiss angewendeten Stiftungskonstruktionen sehr komplex, aufwendig und teuer sind. Deshalb braucht es künftig vor allem für kleinere Firmen eine einfache und kostengünstige Lösung.
Die Koalitionäre sollten sich deshalb von einem neuerlichen Aufschrei der den Status bewahrenden Lobbyisten im Gesetzgebungsverfahren nicht beeindrucken lassen. Das im Koalitionsvertrag nun verankerte Anliegen ist richtig:


Und praktisch nebenbei würde sich auch das Thema Erbschaftsteuer größtenteils erledigen – zumindest in jenen Unternehmen, die die neue Rechtsform künftig wählen.





