Kommentar Im Ringen um die automobile Zukunft liegen die Tech-Konzerne vorne

Wenn es um Software oder Halbleiter geht, sind Google, Apple, Nvidia und Amazon bereits unverzichtbare Partner der Autoindustrie.
Seit Jahren hängt über der Zukunftsfähigkeit der deutschen Autoindustrie die Frage, wer schneller sein wird. Werden die Tech-Konzerne schneller die Fähigkeiten erlernen, die in der Autoindustrie notwendig sind? Oder eignet sich vorher die Autoindustrie das Know-how an, das in der Software-Welt benötigt wird? Die Antwort entscheidet darüber, wer vom neuen Wertschöpfungskuchen der Automobilindustrie die größten Stücke abbekommt.
In Zukunft werden in Fahrzeugen komplexe Zentralrechner verbaut, die die zahlreichen Steuergeräte ersetzen. Auf ihnen werden updatefähige und mit der Außenwelt vernetzte Auto-Betriebssysteme laufen. Autofahrer werden darauf Apps installieren, mit denen ihre Fahrzeuge zum Beispiel selbstständig fahren werden. Diese automobile Zukunftsvision kann nur mit entsprechender Software Realität werden.
Die traditionelle Autoindustrie, also Autokonzerne wie Volkswagen, BMW oder Daimler und Zulieferer wie Bosch, Continental oder ZF, haben dafür in den vergangenen fünf Jahren einiges getan. Sie investieren Milliardensummen, stellen Tausende von neuen IT-Kräften ein und gründen neue Software-Einheiten. Der eingeschlagene Weg ist richtig. Doch das eingespielte Autobauer-Zulieferer-Team ist zu langsam.
Neue Player nisten sich bereits in die Auto-Lieferkette ein. Sie sind zum Teil größer und finanzstärker. Noch stellen sich die Autoindustrie und die Tech-Konzerne als gleichwertige Partner dar. Doch das gilt nur so lange, bis es nicht mehr gilt.
Im Tauziehen um die digitalisierte Zukunft der Autoindustrie scheinen die Tech-Konzerne das Seil derzeit stärker auf ihre Seite gezogen zu haben. Aus Partnern können dann schnell Konkurrenten werden, wie das aktuelle Übernahmeangebot des US-Chipkonzerns Qualcomm für den schwedischen Zulieferer Veoneer beweist. Und schon jetzt kann kein Autobauer und kein Zulieferer auch nur eines der automobilen Zukunftsthemen ohne die Hilfe der Tech-Konzerne entwickeln.
In Zentralrechnern stecken Chips von Nvidia und Qualcomm, teilweise auch deren Software. Beim autonomen Fahren wären die Autobauer und Zulieferer ebenfalls ohne die Halbleiter von Nvidia aufgeschmissen. Intels Roboterauto-Tochter Mobileye entwickelt sich derweil immer mehr zu einem unverzichtbaren Partner für die Autoindustrie.
Innovative Infotainmentsysteme kommen unter anderem von Google, intelligente Sprachassistenten von Amazon. Und wenn es um updatefähige Auto-Betriebssysteme geht, ist Tesla den Autokonzernen um Jahre enteilt.
Tesla wird deswegen auch von der Börse wie ein Tech-Konzern bewertet, was Volkswagen-Chef Herbert Diess besonders ärgert. VW nämlich hat die Bewertung eines traditionellen Autobauers, obwohl VW deutlich mehr Autos verkauft als Tesla. Doch Diess’ Ärger ist unberechtigt.
Tesla hat vielleicht ein paar Schwächen im traditionellen Autobau. Die Materialqualität im Innenraum stimmt noch nicht, Spaltmaße sind zu groß und die Fahrzeuge schlampig lackiert. Doch im Gegensatz zu den deutschen Autobauern hat Tesla den Sprung zum Tech-Unternehmen geschafft. Mit seiner leistungsfähigen Software muss sich der US-Autobauer nicht vor den Konkurrenzangeboten von Google, Amazon & Co. fürchten.
Veraltete Software bei deutschen Autobauern
Anders sieht das bei den deutschen Autokonzernen aus. Wer schon einmal in einem aktuellen Wagen von BMW, Daimler oder dem VW-Konzern saß, der unternimmt eine kleine Zeitreise in die Software-Vergangenheit. Die Funktionalität und die Latenz der Infotainmentsysteme erinnern eher an die Zeit der ersten Smartphones, die vor über zehn Jahren auf den Markt kamen. Und die Sprachassistenten sind mit Ausnahme von Daimler weitgehend unbrauchbar.

Selbst Newcomer aus China, wie zum Beispiel Xpeng, sind weiter als die heimische Autoindustrie. Xpeng hat bereits ein Software-Ökosystem in seinen Fahrzeugen etabliert, mit eigenem updatefähigem Auto-Betriebssystem und speziellen Apps, die dafür heruntergeladen werden können. Volkswagen wird ein vergleichbares System erst 2025 anbieten. BMWs und Daimlers Zeitpläne sehen ähnlich aus.
Noch beruhigt sich das Autobauer-Zulieferer-Team mit den geringen Gewinnmargen und dem hohen Produktionsaufwand, der die Tech-Konzerne angeblich abschrecke, noch stärker in die Autobranche einzusteigen. Doch schon jetzt übernimmt Nvidia immer größere Marktanteile im Autogeschäft, Google und Amazon schließen Verträge mit Autobauern ab, Qualcomm steigt bald ein und Apple klopft mit dem geplanten iCar bereits an der Tür. Das Wunschdenken einiger Auto-Manager, weiterhin Taktgeber technologischer Innovationen in der Mobilitätsbranche zu sein, löst sich gerade in Luft auf.
Mehr: Im Rennen um die beste Autosoftware starten VW, Daimler und BMW die Aufholjagd. Wie sich die deutschen Autobauer gegen Google und Tesla behaupten wollen.
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