Kommentar: Impfstoff aus Russland: Sputnik V ist hier sehr willkommen

Das Thema hat in Bratislava eine Regierungskrise ausgelöst.
Es wäre so schön, wenn politische Machtspiele bei manchen Fragen keine Rolle spielen würden. Zum Beispiel beim Thema Impfstoffe: In einer idealen Welt würden die Hersteller produzieren, und eine unabhängige Verwaltung entscheidet, wie die verfügbaren Dosen verteilt werden.
So ist es aber natürlich nicht. Impfstoffe sind knapp, und wo es Knappheiten gibt, gibt es Rivalitäten, Bündnisse, Konflikte. Die Verteilungsfragen in Deutschland laufen dabei noch vergleichsweise geräuscharm ab. Ein Grund dafür ist, dass die Intensivstationen in Deutschland zumindest nicht über einen längeren Zeitraum komplett überlastet waren.
Anders ist das etwa in der Slowakei. Dort gibt es nicht genug Kapazitäten, um alle schwer Erkrankten mit Sauerstoff zu versorgen. Wer will es dem Regierungschef vorwerfen, dass er in dieser Situation den russischen Impfstoff Sputnik V bestellte, der in der EU noch nicht zugelassen ist?
Gleichzeitig ist das ein gewagtes Unterfangen. Die Zulassung ist keine Formsache. Sie soll sicherstellen, dass der Impfstoff wirklich schützt und dass er keine Gefahr darstellt. Und noch reichen die vorhandenen Daten dazu offensichtlich nicht aus. Auch die Position des slowakischen Außenministers ist darum nachvollziehbar, der den Kauf der Impfdosen hart kritisiert.
Es gibt zumindest Hinweise, dass Sputnik V helfen kann: Ein Artikel im Fachmagazin „The Lancet“ kommt zu einem ermutigenden Ergebnis. Zuletzt lobte der Chef der deutschen Impfkommission den Wirkstoff auf Basis der vorliegenden Daten. Eine offizielle Zulassung erscheint also realistisch.
Mehr Impfstoff ist willkommen
Wenn diese Zulassung da ist, wäre es fatal, den Impfstoff nur deswegen nicht einzusetzen, weil er aus Russland statt aus Westeuropa stammt. Es sind gute Nachrichten, dass nun in Italien eine zusätzliche Produktionsstätte für den Impfstoff entsteht. Das kann dazu beitragen, dass im Laufe der Pandemie mehr Impfstoff zur Verfügung steht. Noch ist nicht absehbar, wie oft nachgeimpft werden muss und ob vielleicht Kombinationen verschiedener Impfstoffe die Wirksamkeit erhöhen können.
Natürlich freut sich die Regierung in Moskau über jedes Land, das Sputnik V einsetzt. So wie auch die Bundesregierung stolz darauf ist, dass der erste im Westen zugelassene Impfstoff in Deutschland entwickelt wurde.
Es wäre ein Desaster, wenn die Europäische Arzneimittelbehörde Sputnik V zulässt, er in europäischen Ländern aber aus politischen Gründen abgelehnt wird. Daran ändert es auch nichts, wenn in russischen Medien das Thema mit einer gewissen Überheblichkeit kommentiert wird.



Wenn die Kooperation beim Impfstoff zu einem engeren Verhältnis zu Russland führt, kann das kein schlagendes Argument gegen Sputnik V sein. Die Gesundheit ihrer Bürger darf eine Regierung höher bewerten als politische Differenzen mit einem anderen Land. So wie eine Regierung auch die Versorgung mit Mineralöl und Erdgas höher bewerten darf.





