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  4. Bundestagswahl: Es braucht Mut für eine Steuerreform

KommentarIn den Wahlprogrammen steckt viel Dichtung und wenig Wahrheit

Wer soll die vielen Wahlversprechen bezahlen? Die Parteien lassen Bürger und Unternehmen im Unklaren. Eines ist aber sicher: Billiger wird es nicht.Thomas Sigmund 15.06.2021 - 19:56 Uhr Artikel anhören

Die Parteien sind im Wahlkampf. Wer zieht nach der Bundestagswahl ein ins Kanzleramt?

Foto: dpa

Die Kunst der Besteuerung besteht darin, „die Gans so zu rupfen, dass man möglichst viele Federn bei möglichst wenig Geschrei bekommt“. An diese Erkenntnis von Jean-Baptiste Colbert, dem Finanzminister Ludwigs XIV., ist man erinnert, wenn man sich die Wahlprogramme der Parteien durchliest.

Die einen versprechen nur Entlastungen, die anderen wollen angeblich lediglich ein paar Superreiche zur Kasse bitten. Der heute schon gerupfte Wähler und Steuerzahler aus der Mitte weiß eigentlich nicht, was auf ihn zukommt. Eines ist aber sicher: Billiger wird es nicht. 

Die Corona-Maßnahmen reißen riesige Löcher in die Staatshaushalte, die Klimaschutzmaßnahmen kosten viel Geld, die Finanzierung ist völlig unklar. Auch in den Sozialkassen tun sich gewaltige Lücken auf, die mit viel Steuergeld aufgefüllt werden sollen.

Doch alle Parteien haben offenbar ihre Lektion aus der vergangenen Bundestagswahl gelernt: Zu konkret darf es nicht werden. Keiner präsentiert mehr Steuerkonzepte mit Eckwerten. Diese wurden früher von Finanzwissenschaftlern durchgerechnet, und jeder konnte ungefähr sehen, was an Be- und Entlastungen auf ihn zukommen würde.

Diesmal erwartet den Bürger eine steuerpolitische Wundertüte. Der Unionskanzlerkandidat Armin Laschet und die FDP schließen Steuererhöhungen aus. Gleichzeitig soll die Schuldenbremse wieder eingehalten werden. Es gibt zwei Unterschiede. FDP-Chef Christian Lindner verspricht Entlastungen für Bürger sowie für Unternehmen und will auch an die Ausgaben ran.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz will wie Annalena Baerbock von den Grünen den Spitzensteuersatz kräftig erhöhen. Auch eine Vermögensteuer steht im Raum.

Wenn SPD und Grüne bei den Vermögen und den Leistungsträgern wirklich zulangen, dann würgt das entweder die Wirtschaft ab oder es ist am Ende reine Symbolpolitik.

Die Schuldenbremse will angeblich auch Scholz einhalten. Die Grünen, die sonst für Nachhaltigkeit stehen, nehmen es dagegen bei der Schuldenmacherei nicht so genau. Anstatt die Ausgaben zu überprüfen, sollen sinnvolle Ausgaben etwa für Bildung obendrauf kommen. 

Die Antwort auf die entscheidende Frage fehlt

Die Frage, die keine der Parteien beantwortet: Wie wollen sie ihre immensen Wahlversprechen finanzieren? Fakt ist: Entweder müssen die Steuern und Abgaben erhöht werden, die Verschuldung muss ausgeweitet werden, oder die Ausgaben müssen gekürzt werden.

Das wissen auch alle, aber keiner sagt es, um das Wahlvolk nicht zu verunsichern. Ausgaben zu kürzen kommt eigentlich in der DNA eines Politikers nicht vor. Er ist dafür geschaffen, Geld auszugeben und Gutes damit zu tun.

Bleiben also nur noch höhere Steuern und mehr Verschuldung. Man muss kein Wahrsager sein, um vorherzusehen, dass beides kommt.

Wenn der Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sagt, auch mit der Union werde das Benzin teurer, weiß jeder, wohin die Reise geht. Die indirekten Steuern werden allein durch die CO2-Bepreisung steigen. Auch die Tabaksteuer geht wieder nach oben. 

Foto: Burkhard Mohr

Ob die neue Regierung sich auf eine Mehrwertsteuererhöhung einigt, ist noch nicht ausgemacht. Aber auch hier hat die Politik gelernt. Kanzlerin Angela Merkel führte ihren ersten Wahlkampf als CDU-Spitzenkandidatin noch mit einem realistischen Abbild der Finanzsituation und forderte eine um zwei Prozentpunkte höhere Mehrwertsteuer. Das war ehrlich, aber ein schwerer wahltaktischer Fehler.

Die SPD polemisierte gegen die sogenannte „Merkel-Steuer“. Die Große Koalition beschloss dann drei Prozent. Vergessen ist das alles nicht. Doch den Leuten wird kein reiner Wein mehr eingeschenkt. Das gilt auch für die Verschuldung. Insofern sind die Grünen noch am ehrlichsten, auch wenn die Begründung nicht stimmt. 

Eine Lösung ist gewiss nicht einfach. Wenn Deutschland aus den Schulden rauswachsen möchte, braucht man sicherlich moderate Ausgabenkürzungen. Beispiel ist das Konjunkturpaket, das sich an vielen Stellen als ein „Wünsch-dir-was“ der Bundesministerien las und vergleichsweise wenig zur Konjunkturankurbelung beitrug. Es sind ja viele Mittel nicht abgeflossen. Die Erhöhung indirekter Steuern und eine befristet angelegte maßvolle Neuverschuldung wird man nicht ausschließen können.

Die Parteien müssten aber auch den Mut aufbringen für eine Steuerreform, die die Wachstumskräfte entfesselt. Da geht es vor allem um Steuervereinfachungen. Es sollte auf keinen Fall um Zusatzlasten für die gehen, die das Wachstum schaffen sollen.

Verwandte Themen Angela Merkel Olaf Scholz SPD Bundestagswahl Ralph Brinkhaus Christian Lindner

Die Einkommensteuer ist für den Großteil des Mittelstands die Unternehmensteuer. Das Problem ist nur: Diese Steuergänse fühlen sich schon gerupft. Ohne Geschrei wird es also nach der Wahl nicht abgehen. 

Mehr: Diese Spitzenpolitiker konkurrieren um das Amt des Finanzministers 

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