Kommentar In der Bahnindustrie zählt künftig Klasse statt Masse

Moderne Stellewerke machen die Schiene leistungsfähiger und zuverlässiger.
Keine zwei Jahre ist es her, dass der französische Bahntechnikkonzern Alstom den deutschen Konkurrenten Siemens als seinen Idealpartner ausgerufen hatte. Auch die Deutschen waren damals von dem Vorhaben begeistert. Ein europäisches Airbus auf Schienen sollte entstehen. Der Zusammenschluss scheiterte bekanntlich am Veto der EU-Kommission.
Nun will Alstom stattdessen den Zugbauer Bombardier übernehmen, den der Mutterkonzern aus Montreal in der Not verkaufen will. Siemens Mobility steht allein da, denn außer Alstom und Bombardier gibt es in der westlichen Welt keinen weiteren maßgeblichen Zugbauer, der die Tochter des Münchener Technologiekonzerns in eine vergleichbare Größenordnung katapultieren könnte.
Verlierer des Rennens um die ersten Plätze in der globalen Bahnindustrie muss Siemens gleichwohl nicht sein. Denn in Zukunft kommt es immer stärker darauf an, welcher Hersteller in der Lage ist, moderne Informationstechnologie in Hochgeschwindigkeitszüge, Nahverkehrstriebwagen, Lokomotiven und Straßenbahnen einzubauen.
Doch so einfach ist das nicht. Denn die Lokhersteller verstanden sich über lange Zeit vor allem als Blechbieger und Schweißer. Eisenbahnen mussten robust und langlebig sein. Die Bahnindustrie und ihre Kunden galten als extrem konservativ. Modernisierung fand da eher in homöopathischen Dosen statt.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Jetzt aber solle die Eisenbahn weltweit einen zentralen Beitrag zur Bewältigung von Verkehrs- und Klimakrise beitragen. Das geht aber nur, wenn sich auch die Eisenbahn wandelt.
So können Gleisnetze im dicht besiedelten Europa und in den Megastädten der Welt nicht beliebig erweitert werden. Erst die Digitalisierung von Signalanlagen und auch Fahrzeugen wird dazu beitragen, dass die Transportkapazitäten für Menschen und Güter sich steigern lassen.
Und erst digitalisierte Informations- und Buchungssysteme werden dafür Sorge tragen können, dass die Auslastung gleichmäßiger verteilt wird, Reisen und Transporte angenehmer und effizienter werden. Wer das beherrscht, der wird an der Spitze der Industrie mitspielen. Die Zeiten von Masse statt Klasse sind vorbei.
Mehr: Das Führungsduo von Siemens Mobility glaubt an die Rückkehr der Kunden
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.