Kommentar In Frankreich könnten die Proteste endlich ein Ende finden

Die Franzosen demonstrieren seit Wochen gegen die geplante Rentenreform der Regierung.
Seit 39 Tagen müssen Hunderttausende Arbeitnehmer vor allem im Großraum Paris sich in überfüllte Züge, Metros und Busse quetschen, aufs Rad steigen oder zu Fuß gehen. So lange schon hatten sie sich ineinander verbissen wie zwei Kampfhunde: Frankreichs radikale Gewerkschaften, die Emmanuel Macrons Rentenreform kategorisch ablehnen, und der amtierende Premier Edouard Philippe, der mit unsinnigen Zusatzforderungen auch noch die Gemäßigten in die Arme der Radikalen trieb.
Nun kommt es endlich zur Chance, die Proteste zu beenden. Viel zu spät ist der Premier der gemäßigten Gewerkschaft CFDT entgegengekommen. Weniger eigene Einsicht als vielmehr der Druck von Macron, vor allem aus der Parlamentsfraktion von dessen Partei „La République en Marche“, hat Philippe zum Einlenken bewegt.
Der Premier verzichtet nun auf eine starre neue Altersgrenze. Für die CFDT ist das ein erster großer Erfolg, aber noch kein Sieg. Sie kann ihren Mitgliedern beweisen: Pragmatismus und die Kombination von Aktion und Verhandlungen bringen mehr, als sich auf eine Fundamentalopposition zu versteifen, wie es ihre radikalen Konkurrenten mit den Kürzeln CGT, FO, SUD tun.
In den nächsten drei Monaten muss die CFDT sich mit den Arbeitgebern und der Regierung auf eine Alternative zur starren Altersgrenze für alle einigen. An deren Stelle will sie Regeln setzen, die sich nach der individuellen Belastung des Versicherten durch seinen Job richten. Gelingt ihr das, wird sie erkennbar zu der Kraft der französischen Arbeitnehmer, die deren Interessen wirksam vertritt.
Die CFDT versucht schon lange, diese Rolle zu spielen. In den Unternehmen gelingt ihr das. Im Ringen mit der Regierung weniger: Die hat sie bislang ignoriert. Auf den französischen Eliteschulen, aus denen sich die Exekutive rekrutiert, sind sozialer Dialog und Fähigkeit zum Kompromiss keine Lernfächer. Es wäre fast zu schön, um wahr zu sein, wenn der Premier auch hier eine Wende einleiten würde.
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