Kommentar Investoren vertrauen der Fed

Die Lage am US-Anleihemarkt ist nicht so dramatisch, wie sie sich darstellt.
Es scheint paradox. Eigentlich spricht derzeit alles dafür, dass sich Investoren von US-Staatsanleihen abwenden. Die Inflation in den USA steigt. Zuletzt lag sie mit 5,4 Prozent weiter auf dem höchsten Niveau seit mehr als 13 Jahren.
Die Warnungen vor einer Überhitzung der US-Wirtschaft nehmen zu – geschürt vor allem von den billionenschweren Konjunkturpaketen unter US-Präsident Joe Biden. Dazu bereitet die US-Notenbank (Fed) langsam, aber sicher ihren Rückzug als Käuferin von US-Staatsanleihen vor.
Und was passiert am US-Anleihemarkt? Die Kurse steigen, und im Gegenzug sinken die Renditen. Ende März noch lag die Rendite der weltweit maßgeblichen US-Staatsanleihe bei rund 1,8 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit Januar 2020. Jetzt sind es nur noch 1,3 Prozent, zwischenzeitlich lag die Rendite sogar noch niedriger.
Auf den ersten Blick gibt es dafür zwei gegensätzliche Erklärungen, die beide erschrecken. Erklärung eins: Die Investoren gehen davon aus, dass es um die US-Konjunktur viel schlechter bestellt ist, als es die Aktienmärkte mit ihren rekordhohen Kursen widerspiegeln. Erklärung zwei: Die Investoren ignorieren schlichtweg alles, was gegen US-Staatsanleihen spricht.
Tatsächlich ist die Lage aber nicht ganz so dramatisch. So sind die Renditen zumindest seit Jahresbeginn unter dem Strich sehr wohl gestiegen. Anfang des Jahres lag die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe bei unter einem Prozent. Das relativiert das Bild.
Fed genießt Vertrauen der Investoren
Dazu kommt: Indikatoren für einen Wirtschaftseinbruch, der Investoren in ausfallsichere Staatsanleihen fliehen lässt, gibt es bislang nicht. So dürfte das US-Wirtschaftswachstum zwar seinen Zenit erreicht haben. Daten wie die Einkaufsmanagerindizes in den USA deuten aber weiter darauf hin, dass die Wirtschaft wächst.
Auch dass Investoren alle Gefahren ignorieren, lässt sich nicht sagen. Denn auch dafür, dass die Inflationsraten ihren Höhepunkt überschritten haben könnten, gibt es Gründe – getrieben werden sie schließlich auch durch kurzfristige Effekte wie steigende Rohstoffpreise und Engpässe bei den Lieferketten.
Vor allem aber: Dafür dass die Renditen nicht dramatisch steigen, wird die US-Notenbank sorgen. Ja, sie wird die Anleihekäufe wohl schon in diesem Jahr reduzieren, aber die Märkte auf sanften Entzug setzen und die Käufe nur nach und nach zurückfahren.
Noch wichtiger: Sobald sich ein deutlicher Renditeanstieg abzeichnet, dürfte die Fed gegensteuern – zumindest verbal. Die Investoren vertrauen der Fed – das ist wohl wie schon so lange der eigentliche Grund für die niedrigen Renditen.
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