Kommentar Italiens Politiker müssen die Machtspielchen um die EU-Hilfen beenden

Italien braucht die Hilfen aus Brüssel mehr als die meisten anderen europäischen Länder. Doch die Politik verliert sich im Streit.
Rom Tun sie‘s, oder tun sie‘s nicht? Wochenlang kokettierten Parlamentarier der mitregierenden Parteien und selbst Mitglieder aus Italiens Mitte-links-Koalition damit, der Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht zuzustimmen.
Am Mittwoch, vor der ESM-Abstimmung in Italiens Abgeordnetenhaus, forderte Premier Giuseppe Conte endlich ein Signal der Geschlossenheit für den anstehenden EU-Gipfel – und bekam dann doch direkt grünes Licht. Auch der Senat stimmte am Abend für die Reform.
Wozu also all die Machtspielchen? Bisher hat Italien nicht mal einen Antrag auf Corona-Darlehen aus dem ESM gestellt – obwohl die Zinsen denkbar günstig wären. Zu groß ist die Angst, etwa bei der mitregierenden Bewegung Fünf Sterne (M5S), dass Brüssel danach zu viel in die nationale Politik reinregiert. Das Schreckgespenst Griechenland-Troika spukt in Rom herum.
Doch der Streit über den Rettungsmechanismus war nur ein Vorgeplänkel. Viel hitziger wird die Debatte um den EU-Wiederaufbaufonds, die in den kommenden Wochen ansteht. 209 Milliarden Euro bekommt Italien aus Brüssel, mehr als 81 Milliarden sind Corona-Hilfen ohne Rückzahlung. Doch das Projekt, typisch Italien, stockt: Während andere Länder schon konkrete Vorhaben benannt haben, gibt es gerade mal einen ersten Entwurf, wie das Geld verteilt werden soll. So viel ist klar: Italien will grüner und digitaler werden.
Doch dafür muss die Mehrheit der Regierungsparteien geschlossen hinter dem Plan stehen. Das tut sie aber nicht. Matteo Renzi, Ex-Premier und heute Chef von Italia Viva (IV), attackiert den parteilosen Conte seit Wochen. Er kritisiert, dass seine Partei nicht in der Taskforce berücksichtigt wird, die über die EU-Milliarden waltet – dort sitzen bisher nur Conte selbst, Finanzminister Roberto Gualtieri von der Demokratischen Partei (PD) und Wirtschaftsminister Stefano Patuanelli (M5S).
Zudem bemängelt Renzi, dass eine neue Struktur entstehe, die nicht vom Parlament kontrolliert werden könne. Renzi war es auch, der gegenüber der Regierung schon im September darauf gedrungen hatte, einige Minister auszutauschen.
Doch es ist keine Zeit für politische Machtspielchen. Italien steckt inmitten der zweiten Pandemiewelle, die Wirtschaft wird 2020 um fast neun Prozent einbrechen. Es ist Geschlossenheit gefragt – und keine Grabenkämpfe. Das Land braucht die Milliarden aus Brüssel dringender als viele andere Länder: um jahrzehntealte Probleme zu lösen und endlich dringende Reformen anzuschieben.
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