Kommentar Italiens Premier hat sich erpressbar gemacht - nun droht die nächste Regierungskrise

Er hat dem wochenlangen Druck von Matteo Renzi nachgegeben.
Rom Lange Zeit galt Italiens Premier als unantastbar. Giuseppe Conte genoss die volle Rückendeckung der Regierungsparteien. Mit harten Lockdowns und Reisebeschränkungen manövrierte er das schwer getroffene Italien respektabel durch die Coronakrise. Pluspunkte beim Volk bekam der parteilose Jurist auch für sein beherztes, selbstbewusstes Auftreten gegenüber den Brüsseler Kollegen, die Italien am Ende mit 209 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds beglückten – mehr als jedes andere Land erhält. Allein 81 Milliarden davon sind reine Zuschüsse.
Doch langsam verblasst Contes Stern. Zwar sitzt der Premier schon mehr als zweieinhalb Jahre im Palazzo Chigi, dem schicken Sitz des Ministerpräsidenten mitten in Rom. Doch seine Macht bröckelt. Musste er erst zwischen zwei Extremen vermitteln – Conte führte die erste Koalition aus linker Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und rechter Lega –, versucht er seit September 2019, eine Fünferkoalition aus M5S, Sozialdemokraten und drei Kleinstparteien zusammenzuhalten.
Ein wackliges Gefüge, das nur eine knappe Mehrheit im Parlament hat. Und von der vor allem ein Teil gerade ausschert: Italia Viva. Deren Chef ist Contes Vorvorgänger: Matteo Renzi. Seit Wochen macht der Senator Druck, stellt Ultimaten, drohte vergangene Woche gar mit dem Abzug seiner zwei Ministerinnen aus dem Kabinett, wenn die Regierung nicht beim Wiederaufbaufonds nachbessert.
Das Duell zwischen Conte und Renzi dauert an
Conte ist nach langem Zögern eingeknickt. Er ließ einen zweiten Entwurf erarbeiten, der viele von Renzis Wünschen berücksichtigt. 15 Milliarden Euro mehr fließen nun ins Gesundheits- und Sozialsystem, auch die Schulen bekommen mehr Geld.
Der Premier hat sich damit erpressbar gemacht. Renzi konnte mit seinen Drohgebärden etwas bewegen – warum sollte er dieses Machtspielchen nicht erneut versuchen? Oder damit gar andere inspirieren?
Das Duell Renzi vs. Conte ist indes noch längst nicht zu Ende: Auch beim Europäischen Stabilitätsmechanismus fordert Renzi Nachbesserungen. Obendrein will er, dass Conte die Macht über die Geheimdienste abgibt. Was Renzi antreibt, bleibt schleierhaft. Neuwahlen kann auch er nicht wollen: Italia Viva würde laut aktuellen Umfragen nicht ins Parlament einziehen. Stattdessen würden die rechten Parteien die Mehrheit holen.
So stolpert Italien von einer kleinen Regierungskrise in die nächste. Und das inmitten der Pandemie mit zuletzt wieder mehr als 400 Corona-Toten an einem Tag. In einer Zeit, in der das Land dringend stabile politische Verhältnisse braucht – und keine Machtspielchen seiner wichtigsten Entscheider.
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