Kommentar: Kampf gegen Steuerbetrug: Ein Meldeportal klingt modern, blendet aber innovativere Wege aus

Bei schwerer Steuerhinterziehung drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Um es gleich vorwegzuschicken: Steuerhinterziehung ist eine Straftat und kein Kavaliersdelikt. Steuerhinterziehung – sei es von Privatpersonen oder Unternehmen – kostet nach gängigen Schätzungen den deutschen Fiskus jährlich etwa 50 Milliarden Euro. Und Deutschland gilt noch immer als Finanzplatz, der Steuerhinterzieher und Geldwäscher geradezu anlockt. Gegen Hinweise auf Straftaten ist also absolut nichts einzuwenden.
Vordergründig scheint es da auch berechtigt, wenn Baden-Württemberg nun ein Meldeportal für Steuerbetrug an den Start bringt. Schon werden Forderungen nach einer Online-Betrügerjagd auf Bundesebene laut, etwa bei den Grünen. Der Schritt gaukelt Modernität vor: Wenn es bislang schon möglich ist, den Finanzbehörden per E-Mail, Brief, Fax oder Telefon Hinweise auf Steuerbetrug zu geben – auch anonym –, dann ist ein Meldeportal der nächste logische Schritt.
Davon abgesehen, dass es vielleicht doch ein Unterschied ist, ob Bürger grundsätzlich Hinweise geben können oder aktiv zum Anschwärzen aufgerufen werden, stellt sich vor allem die Frage: Was sind die wirklich effektiven Wege, um an Steuersünder heranzukommen, vor allem an die großen?
Wenn künftig Tausende Meldungen bei den Finanzämtern eingehen, dass nebenan der Gärtner nach dem Rasenmähen Bargeld in die Hand gedrückt bekommt oder die Haushaltshilfe des Nachbarn ganz sicher schwarz beschäftigt wird, dann dürfte das Kapazitäten bei der Steuerfahndung binden – sei es auch nur, um Vorwürfe ohne substanzielle Belege zu löschen.
Modern ist es, digitale Risikomanagementsysteme bei den Finanzbehörden einzusetzen, um so Steuerbetrügern auf die Spur zu kommen. Mit automatischer Datenanalyse lassen sich Verdachtsmomente herausfiltern.
Internationaler Datenaustausch hat Potenzial



Prüfer können dann gezielt die Fälle mit der höchsten Gefahr der Steuerhinterziehung angehen. Auch der internationale Finanzdatenaustausch birgt Potenziale. Also besser Innovation statt Denunziation.
Dazu kommt: Wirklich große Betrugsfälle dürften über ein Meldeportal schon deshalb kaum angezeigt werden, weil sie viel zu komplex sind. Das haben die 13,4 Millionen Dokumente der „Panama Papers“ gezeigt, die belegten, wie ein Offshore-Dienstleister Geld von Kriminellen und Steuerhinterziehern versteckte. Hier laufen die Ermittlungen seit 2016 – und sind noch immer nicht abgeschlossen.
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