Kommentar: Kauf von Staatsanleihen – Die EZB bekommt das nächste Problem


Die beste Geldpolitik ist die, über die niemand redet. Wenn Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Arbeit gut machen, gibt es keine Inflation, keine schlechten Nachrichten, keine Aufregung.
In den vergangenen Jahren hat das nicht funktioniert. Die breite, durch hohe Staatsausgaben angeschobene wirtschaftliche Erholung nach der Covidpandemie plus der Krieg in der Ukraine haben die Preise weltweit hochgetrieben. Die Notenbanken haben relativ spät angefangen, mit höheren Zinsen dagegenzuhalten, und sich dafür Kritik eingehandelt.
Allerdings stand die EZB davor auch schon in der Kritik: wegen ihrer niedrigen, zeitweise sogar negativen Zinsen, mit denen sie die Tendenz zu schwacher Konjunktur und niedrigem Preisdruck bekämpfte.
Am Donnerstag wird die EZB nach ihrer Sitzung kaum etwas verändern oder ankündigen, aber der weitere Kurs ist klar: Mit dem Abflauen der Inflation steuern wir auf niedrige Zinsen zu.
Aber auch auf eine ruhige Zeit? Das wäre zu hoffen. Doch selbst wenn es gelingt, dürfte sich ein anderes Problem in den Vordergrund schieben, das die EZB empfindlich berührt, obwohl sie damit offiziell nichts zu tun haben darf: die hohe Staatsverschuldung der Euro-Staaten, die vor dem Hintergrund der zu befürchtenden Abkoppelung der USA von Europa allein wegen der Rüstungsausgaben noch weiter steigen dürfte.
» Lesen Sie auch: Internationaler Währungsfonds warnt vor Rückkehr der Inflation
Anders als die US-Notenbank (Fed), die offiziell auch für Vollbeschäftigung sorgen soll, hat die EZB nur ein Mandat: die Stabilität der Preise. EZB-Präsidentin Christine Lagarde wird nicht müde, das zu betonen.
Wie bei jeder Notenbank verstecken sich hinter dem Mandat aber eine Menge externer wie auch interner Ansprüche an die Geldpolitik. Von außen etwa kam vor Ausbruch der Inflation die mitunter fast wie ein Rechtsanspruch anmutende Forderung der Sparer nach Zinsen.
Außerdem wollen alle Notenbanken unabhängig vom offiziellen Mandat die Wirtschaft in Schwung halten oder zumindest nicht zu sehr schädigen. Und dann zeigt sich auch außerhalb des Euro-Raums, dass die Notenbanken im Notfall Anleihen kaufen, wenn es zu einer Krise am Kapitalmarkt kommt.
Gerade der Kauf von Staatsanleihen spielt bei der EZB eine besondere Rolle. Sie sind umstritten, gelten zu Recht als eigentlich verbotene Unterstützung einzelner Staaten, was nur auf dem recht gekünstelten Umweg juristisch gerechtfertigt werden kann, durch diese Käufe werde die gleichmäßige Wirkung der Geldpolitik in allen Ländern sichergestellt.

In Wahrheit geht es schlicht darum, die Euro-Zone zusammenzuhalten. Das gehört offiziell nicht zum Kernmandat der EZB, aber es ist natürlich absurd zu verlangen, dass eine Notenbank dem Zerfall ihres eigenen Währungsraums tatenlos zuschaut, zumal die allgemeine Unterstützung der Wirtschaftspolitik der Europäischen Union ja auch als sekundäres Mandat der EZB definiert ist.
Wenn die EZB durch gezielte Anleihekäufe die Verschuldung einzelner Länder wie Italien und künftig vielleicht auch Frankreich erleichtert, wird sie damit aber den Euro auf längere Sicht immer mehr unter Druck bringen, wie seit Jahren das Beispiel Japans zeigt, wo die Regierung sich massiv über die Notenbank finanziert und der Yen unaufhaltsam im Wert sinkt. Genau das widerspricht ihrem Kernmandat.
Letztlich ist die EZB aber gerade dadurch gefangen, dass sie zu viel Einfluss hat. Das Fehlen einer gemeinsamen Finanzpolitik im Euro-Raum schafft ein Machtvakuum, dem sich die Notenbank im Krisenfall kaum entziehen könnte, ohne kurzfristig massiven Schaden anzurichten.






Und eine gemeinsame Finanzpolitik, das muss man deutlich sagen, war nie eine realistische Option und wird es auch nie sein, weil die Euro-Staaten damit jeweils ihre nationale Souveränität aufgeben würden.
Aus diesem Dilemma gibt es keinen Ausweg. Deswegen wird Geldpolitik hoffentlich langweiliger, aber die Rolle der EZB sicher nicht.





