Kommentar Kein Wundermittel gegen die Pandemie: Der Sinn einer Corona-App fehlt

Die Erfahrungen mit Corona-Apps in anderen Ländern sind durchwachsen.
In Deutschland werden wieder Geschäfte geöffnet, und das öffentliche Leben kehrt zumindest teilweise zurück. Um zu verhindern, dass sich schnell wieder viele Menschen mit dem Coronavirus infizieren, rufen Politiker, Verbände und Firmen nach einer App, die Infektionsketten erfasst. Mitte Juni soll die Anwendung starten.
Die Debatte um die App hat sich leider in vielen Aspekten von der Realität abgekoppelt. In den Reden von Politikern und Firmenvertretern klingt es so, also könnte die App als Wundermittel wirken. Es müssten nur genug Menschen überzeugt werden, die Anwendung zu installieren, und dann sei der wichtigste Schritt zur Eindämmung der Pandemie geschafft.
Das ist jedoch nicht so. Es gibt etliche Länder, die bereits seit Wochen Apps zur Erfassung von Infektionsketten im Einsatz haben. Einen durchschlagenden Erfolg gab es in keinem einzigen Land. Die Erfahrungen sind durchwachsen.
Das hängt vor allem mit zwei Problemen zusammen: Erstens ist das für die Apps verwendet Bluetooth-Signal schwer zu kontrollieren. Schon eine bestimmte Handyhülle, eine Handtasche oder dünne Wände in der Wohnung können die Technik beeinflussen. Im Endeffekt könnte die App zu schnell oder zu langsam Alarm schlagen.
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Die zweite große Hürde ist die Verbreitung. Die Technik soll nicht auf jedes Signal zurückgreifen, sondern auf den besonders energiesparenden Bluetooth-Standard. Der ist jedoch nur in modernen Smartphones verbaut. Viele Geräte kommen also gar nicht infrage.
50 Millionen Deutsche müssten die App nutzen
Doch eine große Zahl von Nutzern ist nötig, damit die App überhaupt ihren Zweck erfüllen kann. 60 Prozent der Bevölkerung müssten sie nutzen, sagen Epidemiologen. Das wären rund 50 Millionen Menschen in Deutschland. Unrealistisch. Zum Vergleich: Facebook zählt nach Jahren rund 60 Millionen täglich aktive Nutzer in Deutschland.
Der Sinn einer Corona-App ist damit unklar. Die Herausforderungen sind groß, überzogene Hoffnung aber ist falsch.
Mehr: Apple und Google geben bei Corona-Apps die Regeln vor.
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