Kommentar: Koalition – trickreich bei Schulden, träge beim Sparen


In der Bundesregierung wird fieberhaft daran gearbeitet, die riesigen Haushaltslöcher in den kommenden Jahren zu schließen. Nur leider sind Engagement und Tempo bei dieser Arbeit bisher ungleich verteilt. Während die Koalition mit Rekordschulden plant und über mögliche Steuererhöhungen streitet, geht es bei der angekündigten Haushaltskonsolidierung nur schleppend voran.
Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) mahnt zwar immer wieder Einsparungen an. Bisher folgen seinen Worten aber kaum Taten. Verhandlungstaktisch ist es nachvollziehbar, dass der Vizekanzler nicht zu früh mit Vorschlägen vorpreschen will. Aber insgesamt verfestigt sich der Eindruck: Die Kreativität der Koalition, sich zusätzlichen Spielraum im Etat zu verschaffen, ist wesentlich ausgeprägter als die Bereitschaft, Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen.
Ohnehin waren Union und SPD mit historisch einmaligen Verschuldungsmöglichkeiten gestartet: Für Investitionen in die Infrastruktur gibt es das Sondervermögen, zudem werden Verteidigungsausgaben weitgehend von der Schuldenbremse ausgenommen. Beides zusammen ermöglicht es Klingbeil, in dieser Legislaturperiode mit Krediten in Höhe von 750 Milliarden Euro zu planen.
Doch auch diese rekordverdächtige Verschuldung reicht nicht aus, um die steigenden Ausgaben und die Wünsche der Koalition zu finanzieren. Folge: Trotz der 750 Milliarden Euro Neuverschuldung klaffen in Klingbeils Finanzplanung bis 2029 noch riesige Löcher von insgesamt 172 Milliarden Euro.
Gleichzeitig werden die Milliarden aus dem Sondervermögen teilweise zweckentfremdet, weil damit eben keine zusätzlichen Investitionen finanziert werden, sondern schon geplante Projekte. Diese Umbuchungen mögen nicht so umfangreich sein, wie manch Kritiker aus der Opposition es vorrechnet. Aber beim Umgang mit ihrem Schuldenpaket haben Union und SPD bisher nicht nur die Erwartungen der ökonomischen Ideengeber enttäuscht.
Die anfängliche Freude, dass nun endlich in Brücken, Straßen und Schienen investiert wird, ist längst den Klagen über Verschiebebahnhöfe gewichen. Daran hat die Koalition einen maßgeblichen Anteil, weil sie parallel zu ihrem Schuldenpaket gleich noch eine Liste mit fragwürdigen Vorhaben verkündete, von der Mütterrente bis zur Steuersubvention für Gastronomen.
Riskantes Schulden-Schneeballsystem
Der Verzicht auf die einmal verkündeten Projekte ist politisch unrealistisch, Sinnhaftigkeit hin oder her. Stattdessen denkt man in der Bundesregierung über weitere Finanztricks nach, um sich noch mehr Spielraum zu verschaffen: Auch Zinsen für Verteidigungsausgaben könnten von der Schuldenbremse ausgenommen werden, lautet eine Idee.
Neue Kredite, um die Zinsen für bestehende Kredite zu bezahlen – das klingt nach einem Schneeballsystem. Damit dürfen sich Kritiker bestätigt fühlen, die früh warnten: Wer die Tür zu einer höheren Verschuldung aufstößt, bekommt sie so schnell nicht wieder geschlossen. Das ist misslich, denn eine maßvolle Lockerung der Schuldenbremse war richtig angesichts des Bedarfs an Investitionen und Verteidigungsausgaben. Doch nun droht Deutschland von einem Extrem ins andere zu fallen, vom übertriebenen Knausern zu immer höherer Verschuldung.





Dabei müsste längst die Arbeit an einer ausbalancierten Haushaltspolitik beginnen. Wie eigentlich sollen Investitionen und Verteidigungsausgaben dauerhaft finanziert werden? Das Sondervermögen wird in zwölf Jahren aufgebraucht sein. Und auch der Ausnahmezustand bei den Verteidigungsausgaben müsste irgendwann beendet werden. Woher dann das Geld kommen soll, ist völlig offen. Klar ist nur: Auch die kreativsten Haushaltstricks werden irgendwann nicht mehr helfen.
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