Kommentar: Koalitionspoker: Warum „GroKo“ für Scholz zum Schlüsselwort werden könnte

Ohne die Drohkulisse einer Großen Koalition manövriert sich der SPD-Kanzlerkandidat selbst gegenüber der Union in eine schlechtere Lage.
Annalena Baerbock, Robert Habeck und Christian Lindner sind kluge Taktierer. Letzterer erklärte schon am Wahlabend, dass Grüne und FDP erst einmal miteinander reden wollen, bevor sie in Sondierungsgespräche mit SPD oder Union gehen. Damit starten sie nun am Mittwoch.
Die offizielle Begründung: Man wolle nicht die gleichen Fehler wie vor vier Jahren begehen, als die FDP bei den Jamaika-Gesprächen den Verhandlungstisch verließ. Es müssten erst klare Linien zwischen den ideologisch weiter auseinanderliegenden Beteiligten – den Liberalen und der Öko-Partei – ausgearbeitet werden.
Doch Lindner, Habeck und Baerbock ist klar: Mit diesem Vorgehen können sie sich nahezu jedwede Verhandlungsmacht sichern. Sobald sie sich einigen, sind sie die Kanzlermacher. Und das bedeutet: Sie können von SPD oder Union fast alles verlangen – immer mit der Drohung in der Hinterhand, doch zum anderen zu wechseln.
Für den Wahlsieger SPD ist das eine erdenklich schlechte Lage. Dabei stünde Kanzlerkandidat Olaf Scholz ein naheliegender Ausweg aus diesem Dilemma zur Verfügung: die Große Koalition (GroKo). Derzeit erscheint eine Weiterführung des Zusammenschlusses mit der Union, nur jetzt unter seiner Führung, von beiden Seiten ausgeschlossen. Aber ist das strategisch wirklich sinnvoll?
Mit der Drohkulisse GroKo würden Grüne und FDP mit ihren Forderungen immer das Risiko eingehen, dass die Sozialdemokraten einen anderen Weg beschreiten könnten. Sie könnten nicht alles verlangen, was sie wollen.
Nun mag es für Scholz auf den ersten Blick unpopulär sein, erneut eine GroKo ins Spiel zu bringen. Es wäre ein Zusammenschluss mit dem Wahlverlierer, es wäre die Weiterführung eines abgewirtschafteten Regierungsbündnisses, so eindeutig klänge das Narrativ.
Aber Scholz sollte das egal sein, denn es ginge bei diesem strategischen Zug um ein zentrales Anliegen: die eigene Programmatik zu bewahren. Der SPD-Kanzlerkandidat redet zwar immer wieder vom Wählerauftrag für SPD, Grüne und FDP, die allesamt starke Ergebnisse erzielten.
Doch Scholz hat erst einmal nur einen Auftrag: möglichst viele Punkte der SPD durchzusetzen. Denn der Wähler wählt eine Partei, kein Bündnis.



Hinzu kommt: Ohne die Drohung mit einer GroKo manövriert sich die SPD mittelfristig auch gegenüber der Union in eine schlechtere Lage. Die könnte ihr Profil in der Opposition schärfen, während die SPD ihres in der Regierung verlöre. Die Quittung würde Scholz bei der nächsten Bundestagswahl erhalten.
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