Kommentar: Laschets Scheitern und Söders Beitrag – in der Union herrscht Chaos

Wie lange kann er sich noch halten?
Offiziell haben weder die Union noch die FDP oder die Grünen eine gemeinsame Koalition ausgeschlossen, doch zwischen den Parteien tobt bereits ein Streit, wer für das Platzen der Jamaika-Träume verantwortlich ist. Die CDU und vor allem die CSU deuten auf die Liberalen, die sich dem grünen Wunsch nach Gesprächen mit der SPD angeschlossen hatten. Die FDP, die nach 2017 kein zweites Mal die Schuld auf sich nehmen will, sieht hingegen in Markus Söder den Jamaika-Saboteur.
Der CSU-Vorsitzende hatte nach der Entscheidung von FDP und Grünen von einer „De-facto-Absage an Jamaika“ und einer „Vorentscheidung“ für eine Ampelkoalition gesprochen. Der CDU-Chef und erfolglose Kanzlerkandidat Armin Laschet bekräftigte hingegen noch, auch weiterhin für Gespräche bereitzustehen. Diese öffentlich zur Schau gestellte Uneinigkeit der Unionsspitze hat im Nachhinein alle Skeptiker bei FDP und Grünen bestätigt, die diese unsortierte Union für nicht sondierungs-, geschweige denn regierungsfähig halten.
An diesem Befund dürfte sich so schnell nichts zum Positiven verändern. Im Gegenteil: Die fortschreitende Ampelsondierung lässt den Druck der Unzufriedenheit im Kessel der Union noch mal kräftig steigen. Und der war nach Laschets historischer Wahlpleite bereits hoch. Die Frage ist nun, ob es dem CDU-Chef noch gelingt, ein Ventil zu finden, indem er einen geordneten Übergangsprozess auf- und durchsetzt zur Bestimmung seines Nachfolgers. Oder ob ihm alles um die Ohren fliegt.
Laschets Rivalen sind schon unterwegs
Das ist der Grund, warum Laschet sich weiter an den Jamaika-Strohhalm klammern muss. Solange ein Bündnis mit FDP und Grünen zumindest noch eine theoretische Option ist, braucht es einen an der CDU-Spitze, der als Ansprechpartner und Verhandlungsführer zur Verfügung steht.
Doch wie lange hält sich Laschet dort noch? Seine Rivalen in der CDU sind unterwegs, um ihre Chancen auszuloten. Und Söder hat mit seiner Interpretation der Jamaika-Absage die Restlaufzeit des CDU-Vorsitzenden weiter verkürzt.
Dafür muss der bayerische Ministerpräsident einiges an Kritik einstecken, von der FDP, aber auch aus der Schwesterpartei CDU. Söder hatte kein gesteigertes Interesse daran, Laschet mit einer labilen Jamaika-Koalition ins Kanzleramt zu retten. Es liegt nahe, dass dabei die Enttäuschung über die versagte Kanzlerkandidatur mitschwingt. Es hat sich im Wahlkampf vieles bewahrheitet, wovor Söder gewarnt hatte.
Die Vermutung ist nicht abwegig, dass sich der CSU-Chef besser geschlagen hätte. Laschet mag ein gut moderierender Ministerpräsident und ein Politiker mit klarem Wertekompass sein, in diesem Sommer aber war er vor allem ein lausiger Wahlkämpfer.
Wenn Söder nun sagt, für die Union müsse es auch um Selbstachtung gehen, dann liegt er damit nicht so verkehrt. Laschets Beharren, dass es keinen „Hauptwahlsieger“ gebe, wirkte wie trotzige Realitätsverweigerung. Aber zumindest strahlte er zu diesem Zeitpunkt noch so etwas wie Kampfeswillen aus, sah offenbar tatsächlich noch eine Chance auf das Kanzleramt.
Der CDU-Chef wirkt nur noch erschöpft
Mittlerweile wirkt Laschet, auch durch die Quertreiber in der Union zermürbt, nur noch erschöpft. Das unbeirrte Anbiedern an FDP und Grüne, nachdem die sich nun zunächst für die SPD entschieden haben, ist taktisch nachvollziehbar, strahlt aber auch Verzweiflung aus. Die Union ist dabei, sich zu verzwergen.
Kein Wunder also, dass nicht nur in der CSU, sondern auch in der CDU viele den aufrechten Gang in die Opposition mittlerweile für die bessere Option halten. Dieser wird sehr wahrscheinlich ohne Laschet an der Spitze beschritten werden. Der Wunsch nach einer Einbindung der Basis ist groß. Das ist verständlich, nachdem sich der CDU-Vorstand bei der Kanzlerkandidatur gegen alle Warnungen der Basis für Laschet entschieden hatte.






Mit der fortschreitenden Demontage Laschets sinken die Restchancen für Jamaika weiter. Die Entscheidung von Grünen und FDP für die erste Sondierungsrunde mit der SPD könnte weitreichendere Konsequenzen haben, als den beiden Parteien recht sein kann. Während die Grünen nur ihr Druckmittel für die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten verlieren, würde den Liberalen mit einem sich ausbreitenden Chaos in der CDU ihr eigentlicher Lieblingspartner endgültig abhandenkommen.
Damit sitzt die FDP in der Ampelfalle. Je regierungsunfähiger die Union in ihrer Selbstfindungsphase erscheint, desto stärker wird der Druck auf SPD, FDP und Grüne, eine Koalition zustande zu bekommen. Die Schuld an einem Scheitern wäre noch schwerer zu tragen als bei Jamaika.
Mehr: Laschet kündigt Rückzug vom Parteivorsitz an – CDU-Wirtschaftsflügel will Mitgliederentscheid





