Kommentar Manchmal geht es nicht ohne die Impfpflicht

Das Lufthansa-Management spricht derzeit mit Arbeitnehmervertretern über das sensible Thema Impfung.
United Airlines kündigt rund 600 Impfverweigerern, die Lufthansa-Tochter Swiss droht damit ab Anfang kommenden Jahres. Es sind radikale Maßnahmen, die erste Fluggesellschaften ergreifen. In Deutschland dürften solche Kündigungen schwer durchsetzbar sein. Nicht ohne Grund sind Aussagen wie die der Schweizer Swiss beim Mutterkonzern Lufthansa bislang nicht zu hören. Dennoch wächst auch hier der Druck auf das fliegende Personal, sich impfen zu lassen.
Denn immer mehr Länder erlauben Crews nur die Einreise, wenn diese einen entsprechenden Schutz nachweisen können. Eine Lösung muss also her.
Die Rechtslage ist komplex. Es beginnt damit, dass Arbeitgeber hierzulande den Impfstatus der Mitarbeiter nicht abfragen dürfen. Lediglich im medizinischen Bereich ist das erlaubt. Sanktionen gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich einer Impfung verweigern, sind untersagt. Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, nur weil diese ihre Grundrechte ausüben. Da eine Corona-Impfung in Deutschland aber freiwillig ist, ist es das Recht eines jeden, diese zu verweigern.
Doch diese Vorgaben haben Grenzen. So wird das Personal im medizinischen Bereich, in Pflegeberufen und seit Kurzem auch in Schulen, Kindertageseinrichtungen, Obdachlosenunterkünften oder Justizvollzugsanstalten verpflichtet, den Impfstatus offenzulegen. Eine Pflicht, sich impfen zu lassen, gibt es auch hier nicht. Arbeitgeber können Mitarbeiter lediglich anweisen, ihrer Arbeit nur geimpft nachzugehen, weil sie sonst Kontaktpersonen gefährden könnten, die zum Beispiel wegen ihrer Vorerkrankungen dem Virus besonders ausgeliefert sind.
Kündigung von Impfverweigerern in Deutschland kaum möglich
Ob ein Unternehmen einen ungeimpften Mitarbeiter, der deshalb dauerhaft seinen Job nicht ausüben kann, kündigen darf, müssen wohl erst Gerichte klären. Fest steht: Zuvor muss die Firma alles versuchen, eine alternative Beschäftigung zu finden.
Nun ist die Situation in der Luftfahrt etwas komplizierter. Einerseits sind die Kunden hier nicht besonders schutzbedürftig. Zudem helfen die Maske und der Abstand zum Mitreisenden, das Virus einzudämmen. Bisher sind wenig Infektionen an Bord eines Jets bekannt. Deshalb also die Impfung zur Pflicht zu machen dürfte rechtlich heikel sein.
Andererseits werden Airlines künftig in viele Länder nur noch mit geimpftem Personal fliegen, weil das dort so vorgeschrieben ist. Große Konzerne wie Lufthansa mit einem eng getakteten internationalen Flugbetrieb dürften es kaum schaffen, den Flugplan aufrechtzuerhalten, wenn geimpfte und ungeimpfte Mitarbeiter entsprechend diesen Vorgaben auf die jeweiligen Strecken verteilt werden müssen.
Ist es einem Unternehmen aber nicht mehr möglich, den operativen Betrieb sicherzustellen, ist die Frage berechtigt, welches Recht mehr wiegt: das des Individuums, eine Impfung zu verweigern, oder das der Firma, ihr Geschäft zu sichern? Ein schwerer Eingriff in das Geschäftsmodell eines Unternehmens muss sehr gut begründet und verhältnismäßig sein.
Das Impfthema spaltet die Crews: Geimpfte werden auf unattraktiven Strecken eingesetzt
Gleichwohl muss das Problem mit den Impfungen gelöst werden. Weil es ein so hochemotionales Thema ist, müssen die Arbeitnehmervertreter mit ins Boot geholt werden. Ihre traditionelle Kernaufgabe ist es, einen vernünftigen Mittelweg zwischen den Bedürfnissen der Belegschaft und denen des Managements zu finden. Das gilt besonders beim Thema Corona-Impfung, welches das fliegende Personal zu spalten droht.
Diejenigen, die sich die Spritze haben geben lassen, werden bevorzugt auf Flügen in Länder eingesetzt, in denen bereits eine Impfpflicht gilt. Darunter sind Ziele etwa in Asien, die zum Teil harte Restriktionen für den Aufenthalt der Crewmitglieder verhängt haben. Mit solchen unattraktiven Einsätzen werden also ausgerechnet jene bestraft, die ihren Beitrag geleistet haben, damit der Flugbetrieb wieder zur Normalität zurückkehren kann.
Die Arbeitnehmervertreter sollten auch mit eingebunden werden in die Frage, wer im Unternehmen Zugriff auf die Gesundheitsdaten hat. Wer seine Gesundheitsdaten freiwillig herausgibt, will sicherstellen, dass mit diesen Informationen kein Missbrauch betrieben wird.
Die Klärung dieser dringenden Fragen gelingt nur gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern. Es ist gut, dass bei Lufthansa solche Gespräche laufen. Gerade bei einem so sensiblen Thema wie Impfung ist eine Vereinbarung mit allen Beteiligten allemal besser als eine Drohung.
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