Kommentar Mehr Geld ist nicht die Antwort auf die kritischen Fragen der Junior-Investmentbanker

Die Finanzbranche ist oft nicht mehr die erste Adresse für die talentiertesten Uni-Absolventen in den USA.
Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Im Moment vergeht kaum ein Tag, an dem eine der großen Investmentbanken nicht die Gehälter für Berufseinsteiger kräftig aufstockt. Dafür ist weniger die Großzügigkeit der Banken verantwortlich als die schlichte Tatsache, dass Investmentbanker offenbar längst kein Traumberuf mehr ist und die talentiertesten Nachwuchskräfte inzwischen oft lieber in der Tech-Branche oder bei Beteiligungsgesellschaften ihre Karriere starten.
Mehr Geld ist allerdings die falsche Antwort – zumindest auf die Frage, die 13 junge Banker von Goldman Sachs im Frühjahr in einer Präsentation stellten, die in den sozialen Medien viral ging. Die Junior-Banker beschwerten sich über unmenschliche Arbeitsbedingungen, völlige Überlastung und Burn-out-Symptome. Ein paar Dollar mehr auf dem Konto werden dieses Problem kaum lösen.
Seit dem Hilferuf aus dem Hause Goldman tobt im Investmentbanking ein kleiner Kulturkampf. Denn die bitteren Beschwerden der Jung-Banker blieben nicht unwidersprochen.
Xavier Rolet, Goldman-Veteran und Ex-Chef der Londoner Börse, brachte die Argumente der alten Garde auf den Punkt: Unter 100 Stunden in der Woche lasse sich der Job nun mal nicht machen, und wem das zu viel sei, der solle sein Geld eben irgendwo anders verdienen. Was das Problem auch nicht löst – die Banken kämpfen ja gerade damit, dass sich potenzielle Nachwuchskräfte andere Jobs suchen.
Mit dem fiktiven Finanzhai Gordon Gekko aus dem Kultfilm „Wall Street“ schuf Hollywood einst eine zur Kenntlichkeit verzerrte Karikatur des Investmentbankers. Einer von Gekkos Sprüchen lautete: „Lunch is for wimps.“ Frei übersetzt: Nur Waschlappen leisten sich ein ausgiebiges Mittagessen. Heute würde Gekko wohl sagen: „Work-life balance is for wimps.“
„Wall Street“ kam allerdings 1987 in die Kinos. Seither ist eine ganze Menge passiert.
Gekkos Erben haben der Welt die große Finanzkrise beschert. Von einem Kulturwandel in der Branche zu sprechen, wäre zwar übertrieben, Glamourfaktor und Boni haben aber längst nicht mehr die Bedeutung wie in den hedonistischen 1980er Jahren. Heute ist es eben viel schicker, bei einem Fintech oder bei den Apples und Googles dieser Welt anzuheuern.
Eigentlich dürfte es die Investmentbanken nicht überraschen, dass auch für die Unternehmenskultur die Gesetze des Marktes gelten. Wer sich nicht anpasst und zu lange an überkommenen Ritualen festhält, der wird Opfer schöpferischer Zerstörung.
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