Kommentar: Mehr Härte bei der Flüchtlingspolitik – aber mit Anstand


Zwei Männer warten in der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung (HEAE) in Gießen. Hier sind derzeit rund 3500 Menschen aus unterschiedlichen Ländern untergebracht, die von hier aus auf kommunale Einrichtungen verteilt werden.
Die Migrationspolitik besitzt die Sprengkraft, das ganze Land zu spalten. Kaum ein Thema hat mehr Potenzial die Koalition zu entzweien und bietet zugleich mehr Potenzial für die AfD. Statt Kämpfe um politische Geländegewinne ist auf dem Flüchtlingsgipfel deshalb Rationalität, Pragmatismus und die Kunst des politischen Kompromisses gefragt.
Die demokratische Mitte muss jetzt liefern. Konkret müssen die Ampelregierung und die Union auf dem Flüchtlingsgipfel drei Leistungen erbringen, die lange überfällig sind: Es braucht in der Flüchtlingspolitik eine neue Realpolitik, ohne Grundwerte zu verletzen. Bei den Flüchtlingskosten braucht es Kontinuität statt Kurzfristigkeit. Und es braucht drittens mehr Ehrlichkeit: Die Politik sollte den Menschen nicht vormachen, mit ihren Beschlüssen Einwanderung stoppen zu können.
Solch ein Paket wird nur im Zusammenschluss aller demokratischen Parteien gelingen. Auch wenn Kanzler Olaf Scholz sicher auch aus politischem Kalkül Oppositionsführer Friedrich Merz eng einbinden will: Regierung und Opposition müssen in der Migrationspolitik den Schulterschluss wagen, wollen sie die zunehmende Polarisierung stoppen.
Denn die Politik muss den Balanceakt hinbekommen, in der Flüchtlingspolitik mehr Härte walten zu lassen, ohne dabei den Anstand zu verlieren. Konkret bedeutet das, für eine stärkere Rückführung von Asylbewerbern ohne Bleiberecht zu sorgen und Deutschland weniger attraktiv für Wirtschaftsflüchtlinge zu machen.
Die Einführung einer Bezahlkarte ist da ein richtiger Schritt. Gleichzeitig müssen aber alle, die nach Deutschland einreisen wollen, mit Respekt behandelt werden, so wie es das Grundgesetz vorschreibt.
Faire Verteilung der Kosten
Zu diesem respektvollen Umgang gehört auch eine faire und vor allem langfristige Verteilung der Flüchtlingskosten. Derzeit halten sich Bund und Länder jedes halbe Jahr vor, welche Unsummen sie angeblich jeweils für Flüchtlinge ausgeben. Das muss ein Ende haben. Denn so verstärken sie nur den Eindruck vieler Bürger, sie kämen zu kurz, weil so viel Geld an Flüchtlinge geht.
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Die Politik darf aber auch keine falschen Erwartungen schüren. Hohe Einwanderung wird sich auch nicht durch ein immer schärferes Asylrecht oder nationale Grenzkontrollen verhindern lassen.



Migrationspolitik kann nur europäisch gelingen: über eine stärkere Kontrolle der europäischen Außengrenzen, Asylverfahren direkt an den Außengrenzen, über eine Bekämpfung der Fluchtursachen und über mehr legale Einreisemöglichkeiten, was auf ein europäisches Einwanderungsrecht hinausliefe. Und selbst wenn all dies gelänge: Migration wird auch dann nicht verschwinden. Auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu.
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