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KommentarMerz’ 100-Tage-Bilanz ist durchwachsen

Ob Trump, die SPD oder die eigene Partei: Merz steht von allen Seiten unter Druck. Die Zweifel wachsen, ob die Koalition noch die Kraft für die dringend notwendigen Wirtschaftsreformen aufbringen kann.Leila Al-Serori 13.08.2025 - 13:44 Uhr aktualisiert
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Friedrich Merz: Nur 32 Prozent sind laut Umfrage zufrieden mit ihm als Kanzler. Foto: dpa

Friedrich Merz (CDU) ist angetreten, um ein großer Kanzler zu werden und vor allem: alles besser als sein unglücklicher Vorgänger Olaf Scholz (SPD) zu machen. Nach 100 Tagen im Amt ist die Zwischenbilanz allenfalls durchwachsen, wenn man es gut mit ihm meint.

Merz steht von allen Seiten unter Druck. Beim Thema Israel und Gaza hat der Bundeskanzler seine eigene Partei gegen sich aufgebracht. Beim Ukrainekrieg machen Russland und die USA trotz großer Bemühungen des Kanzlers gemeinsame Sache, vermutlich auf Kosten sicherheitspolitischer Interessen der Europäer. Und in den Beziehungen zum Koalitionspartner SPD hängt spätestens seit dem Richterstreit der Haussegen schief.

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Angesichts der sich häufenden Streitereien und Kommunikationsfehler stellt sich schon jetzt die Frage, ob diese Koalition die Kraft für die dringend notwendigen Sozialstaatsreformen aufbringen kann. Reformen, die unabdingbar sind für die Überwindung der Wachstumskrise. Entsprechend schlecht sind die Umfragewerte. Im ARD-Deutschlandtrend zeigen sich nur 32 Prozent der Befragten zufrieden mit Merz nach den ersten 100 Tagen, mit Scholz waren es damals immerhin 56 Prozent.

Der Kanzler dürfte seine eigenen Fähigkeiten überschätzt haben. Oder er dürfte unterschätzt haben, wie viel Kommunikation und Kompromissbereitschaft das von ihm eigentlich angestrebte „geräuschlose“ Regieren mit sich bringt.

Dabei lief es anfangs gut für ihn: Mit US-Präsident Donald Trump schaffte Merz schnell eine Gesprächsbasis, auch sonst positionierte er sich als tatkräftiger Außenkanzler. Für die Wirtschaft brachte das Kabinett Innovationsbooster und Steuererleichterungen auf den Weg.

Zu guter Führung gehört Kommunikation

Doch nicht zuletzt durch den ernüchternden Zolldeal zwischen der EU und den USA und das Treffen von Trump mit Wladimir Putin in Alaska am Freitag, wo Europa außen vor ist, zeigt sich, dass auch Merz’ Gestaltungsmacht begrenzt ist. Ein kleiner Coup ist ihm zwar gelungen: An diesem Mittwoch holt er die wichtigsten europäischen Staats- und Regierungschefs mit Trump an einen virtuellen Tisch.

Aber auch das ändert nichts daran, dass ihm zu Hause der Rückhalt wegbricht. Zu guter Führung gehört nicht nur die Willensstärke, sondern auch, dass man so kommuniziert, dass man seine Wähler und seine eigenen Leute mitnimmt. Genau das hatte Merz sich eigentlich vorgenommen: Als er sich um den CDU-Vorsitz bewarb, versprach er offene Debatten und professionelles Regieren. Vor Amtsantritt verkündete er, ein Gefühl des Miteinanders in der Koalition pflegen zu wollen, regelmäßiger Austausch sollte helfen.

All das dürfte angesichts der vielen Weltkrisen, die diese Regierung seit Beginn begleiten, bisher zu wenig Priorität haben. Die Kritik innerhalb der Union am Stopp bestimmter Rüstungslieferungen an Israel zielt vor allem darauf, dass Merz den Beschluss alleine getroffen hat. Die meisten in seiner Partei erfuhren vom Kurswechsel ihres Chefs in der Israelpolitik per Pressemitteilung.

Editorial

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Dasselbe Muster ließ sich schon bei der Debatte über die Stromsteuer oder auch der Verfassungsrichterwahl von Frauke Brosius-Gersdorf beobachten. Es wurde versäumt, eine in der Regierung getroffene Entscheidung so in den eigenen Reihen zu kommunizieren, dass sie auch von allen mitgetragen wird. Auch die Entscheidungen zur Schuldenbremse und zu dem gewaltigen Sondervermögen haben viele in der Union überrumpelt.

Vielleicht hätte man es schon bei der Kanzlerwahl ahnen müssen. Erst im zweiten Anlauf wurde Merz gewählt. Auch damals schon waren es nicht sichere Mehrheiten in den Koalitionsfraktionen, die ihm einen denkbar schlechten Auftakt bescherten. Der Unmut in den eigenen und den Reihen der SPD wurde offensichtlich übersehen.

Und so lähmt sich die Bundesregierung seither immer wieder mit Nebensächlichkeiten, zerstreitet sich unter Eindruck rechter Hetzkampagnen über die Wahl einer Richterin, die eigentlich längst beschlossen war.

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Wer sich gerade umhört in der Koalition, muss oft an den Begriff Zweckgemeinschaft denken. SPD und Union wollen eigentlich nicht miteinander, aber sie müssen miteinander, weil es keine Alternative gibt. Allerdings wird das Mantra, Schwarz-Rot sei die „letzte Patrone“ der Demokratie, um eine AfD-Kanzlerschaft zu verhindern, die Regierung nicht alleine durch die nächsten Jahre bringen.

Kein gutes Omen für die Landtagswahlen 2026

Merz muss dringend an seinem Kommunikationsstil arbeiten, den berühmten Korpsgeist aktivieren. Dass nach der Sommerpause sowohl Fraktionen als auch die Regierung in Klausur gehen werden, ist ein erster richtiger Schritt.

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Aber der Kanzler sollte auch aus den Fehlern der vergangenen Wochen lernen. Er muss verhindern, dass seine Regierung weiter an Vertrauen einbüßt und sich seine eigene Partei gegen ihn wendet. Immer wieder Unruhe kann sich eine Koalition nicht leisten, die nur zwölf Stimmen Mehrheit im Parlament hat.

Noch ist Zeit, die Kritik einzufangen, wieder zum geräuschlosen Regieren zurückzukehren und aus der schwarz-roten Zweckgemeinschaft eine produktive Koalition zu machen. Alles andere wäre fatal für die kommenden Monate, die Tatkraft bei Reformen und schmerzhafte Einschnitte im Sozialstaat mit sich bringen sollten. Und es wäre auch kein gutes Omen für die anstehenden Landtagswahlen im kommenden Jahr. In Sachsen-Anhalt droht ein Wahlsieg der AfD. Das wäre der Todesstoß für eine wackelige Regierung.

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