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  4. Steigende Gaspreise: Wie die EU zur Energiekrise beigetragen hat

KommentarMit ihrer Politik hat die EU zur Gaspreiskrise beigetragen

Die EU sollte auf stabile Energiepreise hinarbeiten. Bisher hat sie eher das Gegenteil getan. Dabei sind stabile und planbare Energiekosten für die Energiewende essenziell.Christoph Herwartz 14.10.2021 - 18:19 Uhr Artikel anhören

Im Sommer, als die Preise niedrig waren, haben die Europäer ihre Gasspeicher nicht gefüllt.

Foto: Reuters

Zwei Möglichkeiten hätte es gegeben, die aktuelle Gaspreiskrise zu vermeiden. Erstens hätten die europäischen Versorger die Preise langfristiger mit dem Lieferanten Gazprom absprechen können. Und zweitens hätten sie im Sommer mehr Gas bestellen können, um ihre Speicher zu füllen.

Beides ist nicht geschehen. Darum hat die weltweit gestiegene Nachfrage auf den Preis in vielen europäischen Ländern voll durchgeschlagen. Die Versorger haben den Wunsch ihrer Kunden nach verlässlichen Gaspreisen nicht erfüllt. Der Markt hat versagt und zieht sogar die Preise für Strom und Öl mit nach oben.

Nun wäre es zu einfach, dieses Marktversagen allein den Unternehmen anzulasten. Der Gasmarkt ist hochreguliert. Wie er funktioniert, ist in Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union festgelegt. Als sie zuletzt reformiert wurden, galten langfristige Gaslieferungsverträge als Bestandteil struktureller Verkrustungen im Markt. Der Druck, sich mit den Lieferverträgen stärker an den Spotmarktpreisen zu orientieren, hat mit dazu beigetragen, dass die Preise auch für die Verbraucher nun so stark schwanken können.

Wie sich das wieder beheben lässt, ohne die Abhängigkeit von Russland zu vergrößern, ist jetzt die Aufgabe der EU-Kommission. Russland würde langfristigere Abnahmegarantien zumindest gern sehen. Präsident Wladimir Putin nutzte am Mittwoch die Krise, um Druck auf die Europäer zu machen, wieder langfristigeren Verträgen mit dem vom Kreml kontrollierten Konzern Gazprom zuzustimmen.

Nachfrage lässt sich kaum vorhersagen

Nun hat die plötzlich auftretende Coronakrise und ihr fast genauso plötzliches Ende einige Märkte durcheinandergebracht. Diese Ausnahmesituation war bei der letzten EU-Gasmarktreform 2009 nicht abzusehen. Doch für die Zukunft sollten die Regulierer die Möglichkeit von externen Schocks genau in den Blick nehmen.

Denn die Energiemärkte sind im Wandel. Wie sich die Nachfrage nach Erdgas in der Phase der grünen Transformation entwickelt, lässt sich kaum vorhersagen. Größere Reserven anzulegen oder den Unternehmen das Anlegen solcher Reserven vorzuschreiben ist möglich.

Die Schwankungen im Gaspreis gering zu halten ist auch wichtig für die Energiewende. Zwar werden die Preise weiter steigen müssen, um Anreize für sparsames Verhalten zu setzen. Aber kein Verbraucher sollte den Unberechenbarkeiten eines so volatilen Marktes ausgesetzt sein.

Das ist auch die Meinung vieler Staaten, die jetzt Energiesteuern senken, um ihre Bürger vor Energiearmut zu schützen. Die Maßnahme ist richtig, wenn es keine andere Methode gibt, eine soziale Katastrophe zu vermeiden. Aber Energie billiger zu machen nimmt den Anreiz, in sparsame Autos und sparsame Heizungen zu investieren. Auf keinen Fall dürfen die Staaten jetzt die Botschaft senden, dass sie ihre Bürger für immer vor steigenden Preisen beschützen werden.

Denn das Gegenteil ist ja geplant. Fossile Brennstoffe sind in Deutschland seit Jahresbeginn in einem Emissionshandel erfasst, dessen Preise steigen sollen. Die anderen EU-Länder sollen in einigen Jahren einbezogen werden.

Der Preis für Energie muss hoch sein und steigen. Aber er sollte so berechenbar sein wie irgend möglich. Das würde es den Verbrauchern ermöglichen, eine informierte Entscheidung zu treffen, wenn sie viele Tausend Euro in ein neues Auto oder eine neue Heizung investieren. Und es würde den Regierungen ermöglichen, den sozialen Ausgleich genau zu steuern – über höhere Sozialhilfesätze, niedrigere Steuern und niedrigere Lohnnebenkosten oder auch über ein Energiegeld, das jeder Bürger pauschal ausgezahlt bekommt.

Wie schädlich die aktuellen Schwankungen sind, zeigt sich auch an den irrationalen Maßnahmen mancher Regierung. In Spanien werden nun Anbieter von billiger, sauberer Energie abkassiert. Denn diese machen gerade enormen Gewinn: Der Strom aus Wasserkraftwerken, Windkraftwerken, Solarzellen und Atomkraftwerken wird mit dem gleichen hohen Preis vergütet wie jener aus Gaskraftwerken. Die Betreiber haben also nun viel Geld zur Verfügung, das sie in neue Anlagen investieren könnten. Diesen Effekt macht die Regierung zunichte.

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Auch die Reaktion Frankreichs geht in die falsche Richtung. In der Regierung überlegt man, sich vom europäischen Strommarkt abzukoppeln, damit französische Kunden vom billigen französischen Atomstrom profitieren können. Auch das geht in die falsche Richtung: Frankreich wird in Zukunft mehr Strom brauchen, als seine Kernkraftwerke produzieren können. Dann wird das Land davon profitieren, in einen großen, europaweiten Strommarkt eingebunden zu sein.

Mehr: Gaspreisschock für die Weltwirtschaft: „Energiekrise wird für viele Firmen zur Überlebensfrage“

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