Kommentar Mit seinem Low-Profile-Wahlkampf setzt Laschet das Kanzleramt für die Union aufs Spiel

Wegen der Hochwasserkatastrophe hatte der Kanzlerkandidat der Union mehrere Wahlkampftermine verschoben.
Die Union ist in einigen Umfragen zur Bundestagswahl bereits aus dem akzeptablen Korridor von 28 bis 32 Prozent herausgerutscht: In der jüngsten Forsa-Umfrage kommen CDU und CSU lediglich auf 23 Prozent, in der Befragung des Meinungsforschungsinstituts Insa auf 25,5 Prozent. Das ist weit vom Anspruch der beiden Parteien entfernt, die seit 16 Jahren die Regierung anführen.
Es wird also mehr als Zeit, dass Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet offiziell in den Wahlkampf einsteigt, auch wenn er wegen der Flutkatastrophe seine Termine verschieben musste. Als Krisenmanager konnte sich der NRW-Ministerpräsident nicht profilieren, hängen bleibt sein Lachen, während Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Opfern Trost spendete. Jetzt soll alles besser werden.
Spekulationen über einen Austausch von Laschet durch den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder gut sechs Wochen vor der Wahl sind absurd. Das wäre politischer Selbstmord. Laschet und seine CDU müssen die Trendumkehr selbst schaffen.
Ob der Kanzlerkandidat gut beraten war, Interviews und Kanzlerkandidatentrielle abzusagen, bezweifeln einige. Während CSU-Chef Söder jeden Tag eine Nachricht setzt und schon mal Laschets Schlafwagen-Wahlkampf kritisiert, bleibt der Aachener beim Wahlkampf der ruhigen Hand. Einige in der Union wünschen sich, dass er aus der Deckung kommt.
Zwar hat er gerade ein Fünf-Punkte-Papier zum Kampf gegen Corona vorgestellt und auch innerhalb der Union in großen Teilen durchgesetzt. Bei den anderen Themen wie Digitalisierung, Bürokratieabbau oder Neustart der Wirtschaft bleibt er erstaunlich ruhig. Vor seinem „Modernisierungsjahrzehnt“ strahlt nur das Schlagwort.
Laschet muss starke Signale senden
Auf ein Kompetenzteam verzichtet Laschet auch. Klar ist: Friedrich Merz steht für Wirtschaft und Finanzen. Wer steht aber für Klima, wer steht für Digitalisierung? Hier fehlen Köpfe. Ein Zeichen wäre beispielsweise eine Personalie vom Kaliber eines IT-Unternehmers wie Frank Thelen, der jedoch zu den Liberalen neigt. Die Bildungsexpertin Verena Pausder könnten sich einige als Schattenkandidatin für das Bildungsressort vorstellen. Doch dazu gehört Mut.
Laschets Art ist, alle einzubinden und niemanden vor den Kopf zu stoßen. Das war innerparteilich sehr erfolgreich und sicherte ihm die Kanzlerkandidatur. Aber jetzt braucht es starke Signale in die Wählerschaft hinein. Mit einem Low-Profile-Wahlkampf wird es schwer, das Kanzleramt für die Union zu verteidigen.
Laschets größte Stärke war bisher die Schwäche der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Solange sie mit ihren Plagiaten oder ihrem Lebenslauf die Schlagzeilen füllte, war sein Stil kein Problem. Doch im Windschatten eines Wahlkampfs der Nebensächlichkeiten profiliert sich auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.
Der Finanzminister wärmt zwar nicht das Herz der Bürger, ist aber seriös. Vor allem hält er sich geschickt die parteiinterne Linke vom Leib.
Härte fehlt auch nicht. Die SPD schreckt nicht vor Negativ-Campaigning zurück und diskreditiert enge Mitarbeiter von Laschet wegen ihrer religiösen Einstellungen. Die Aufholjagd des Vizekanzlers hatte in der CDU jedenfalls niemand auf dem Zettel.
Koalition ohne Union ist diesmal möglich
Das Rennen ist so offen wie noch nie. Und die Farbenspiele nehmen kein Ende. CSU-Generalsekretär Markus Blume träumt von einer Deutschland-Koalition aus Union, SPD und FDP. Scholz von einer Ampel mit Grünen und FDP. Die Grünen sind flexibel, können sich Schwarz-Grün, Jamaika mit der FDP und die Ampel vorstellen.
Das Neue an der Situation ist, dass eine Koalitionsbildung ohne die Union möglich ist. Damit hätte vor Kurzem noch niemand gerechnet, aber es ist alles andere als sicher, dass es so kommt.
Für die Wirtschaft wäre Rot-Rot-Grün eine absolute Katastrophe. Die Manager und Unternehmer würden wahrscheinlich ein Jamaika-Bündnis einer schwarz-grünen Regierung vorziehen. Eine Ampel unter einem Kanzler Scholz ist sicherlich keine Wunschkonstellation, aber zur Not besser als Rot-Rot-Grün.
Es würde dann sehr darauf ankommen, ob sich die vernünftigen Stimmen in der SPD und bei den Grünen durchsetzen. Aber bislang sind die Signale an die FDP ausgeblieben, wenn man etwa an Steuersenkungen denkt.
Diese Woche stieg Laschet bei einem Wahlkampftermin in einem Jugendcamp in den Boxring, boxte für die Fotografen etwas und versprach: „Die CDU wird in diesem Wahlkampf kämpfen.“ Am Montag kommt der Bundesvorstand erstmals wieder seit Langem in Präsenz zusammen. Da wird sich zeigen, ob Laschet kämpfen kann.
Mehr: Mehr Angriffe auf SPD und Grüne: Paul Ziemiak läuft sich für den Wahlkampf warm
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"Für die Wirtschaft wäre Rot-Rot-Grün eine absolute Katastrophe. [...] Eine Ampel unter einem Kanzler Scholz ist sicherlich keine Wunschkonstellation, aber zur Not besser als Rot-Rot-Grün."
Soll das seriöser Journalismus sein? Sagen Sie doch gleich Herr Sigmund, dass sie schwarz-gelb persönlich bevorzugen.
Darüber hinaus: Einfach nur Steuersenkungen für Unternehmen zu fordern ist doch keine Wirtschaftspolitik. Lediglich ein kurzer Endorphinrausch, der schnell wieder vergessen ist, aber keine echte Wettbewerbsfähig fördert. Das ist Steuerverschwendung.
Das wollen einige Unternehmer nicht hören, weil es anstrengender ist die eigenen Stärken auszubauen, um die Marge zu erhöhen. Stattdessen wird lautstark nach Steuersenkungen krakeelt, weil es die viel bequemere und leichtere Lösung ist.
Echte Wirtschaftspolitik befasst sich mit dem Ausbau der Infrastruktur: Bildung, Netzausbau, erneuerbare Energieträger, Digitalisierung oder Bürokratieabbau bei Behörden.