Es ist schon fast 20 Jahre her, dass sich die deutsche Wirtschaft auf den Weg gemacht hat. Im September 2001 wurde die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex eingesetzt. Kurz darauf legte sie die erste Fassung des Kodexes vor. Mit diesem war ein institutionalisierter Rahmen für gute Unternehmensführung in der Wirtschaft geschaffen.
Diese Kommission und dieser Kodex waren ein Anfang. Ein Anfang, der im Übrigen von der Politik initiiert wurde. Bis heute ernennt der jeweils amtierende Bundesjustizminister den Vorsitzenden der Kommission. Die Politik selbst hielt sich mit Regeln für von ihr mitgeführte Unternehmen selbst jedoch lange zurück.
Schließlich gibt es in jeder Stadt in regelmäßigen Abständen, und auch unabhängig davon, welche Partei gerade das Sagen hat, immer wieder Skandale in und um öffentliche Unternehmen. Posten werden nach Proporz verteilt, Gehälter nach Gutdünken gewährt, Diversität als Modeerscheinung abgetan, und Sponsoring ohne Sinn und Verstand verteilt, dafür aber mit privaten Vorlieben. Hinzu kommen Betrug und Vorteilsnahmen für private oder politische Interessen.
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Image vieler öffentlicher Unternehmen als Arbeitgeber ist schlecht
In Köln war es das Postengeschachere bei den Stadtwerken, in Düsseldorf die Ränkespiele in der Stadtsparkasse, in Gera die Insolvenz der Stadtwerke, in Wolfsburg die Vorteilsnahme bei den Stadtwerken, in Potsdam die Untreuevorwürfe bei den Stadtwerken, in Ludwigsburg die Betrugsvorwürfe bei der Wohnbaugenossenschaft.
Die neuen Regeln für öffentliche Unternehmen im Überblick
Die Liste ist lang und vielfältig. Und es sind nicht nur lokale Possen, die für schlechte Unternehmensführung im öffentlichen Sektor stehen. Der chaotische Bau des Berliner Flughafens BER bescherte Deutschland sogar international negative Aufmerksamkeit.
Die Konsequenzen sind für alle Beteiligten gravierend. Politikern wird – auch ohne Anlass, also pauschal – Vetternwirtschaft, Käuflichkeit oder Ahnungslosigkeit unterstellt. Das Ansehen von Politikern rangiert auch deshalb noch unter dem von Managern. Die Karriere in öffentlichen Unternehmen erscheint angesichts unklarer Aufstiegschancen ohne passendes Parteibuch unattraktiv.
Entsprechend schlecht ist das Image vieler öffentlicher Unternehmen als Arbeitgeber. Kurzum: Es wird in vielen öffentlichen Unternehmen nicht effizient gewirtschaftet. Es mangelt an Transparenz, klaren Regeln und Professionalität. Öffentliche Gelder werden so verschwendet.
Trend zur Rekommunalisierung
Das zu ändern, soll nun mit dem Musterkodex gelingen. Er orientiert sich stark am Kodex für die Wirtschaft. Es geht darin um klare Regeln für Transparenz, Kommunikation, Expertise und die Vergütung.
Und dabei geht es nicht um kleines Geld. Derzeit gibt es in Deutschland rund 18.000 öffentliche Unternehmen, die wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge übernehmen wie Energie- und Wasserversorgung, Bildung, Erziehung sowie Abfallentsorgung. Laut Statistischem Bundesamt erwirtschaften sie einen Umsatz von mehr als 550 Milliarden Euro im Jahr.
Insbesondere auf kommunaler Ebene sind sie zudem ein wichtiger Arbeitgeber. So ist mehr als die Hälfte der öffentlich Beschäftigten nicht in der Verwaltung, sondern in öffentlichen Unternehmen tätig. Und über die Hälfte der Investitionen der öffentlichen Hand erfolgen über öffentliche Unternehmen; fast 60 Prozent der Verschuldung der öffentlichen Hand liegen in den Auslagerungen und nicht im Kernhaushalt.
Die Notwendigkeit für offizielle Benimmregeln wird zudem noch durch den Trend zur Rekommunalisierung verschärft. In den vergangenen zehn Jahren wurden nach Berechnungen des niederländischen Thinktanks Transnational Institute (TNI) rund 411 Unternehmen in Deutschland wieder zurück unter die öffentliche Hand genommen. Deutschland ist damit international Spitzenreiter.
Städtetag hat seinen Mitgliedern einen großen Dienst erwiesen
Hinzu kommt der Trend zur Teilverstaatlichung, auch ausgelöst durch die Coronakrise. So rettete der Staat etwa die größte deutsche Fluggesellschaft Lufthansa vor der Insolvenz.
Einige deutsche Städte haben sich deshalb schon von sich aus auf den Weg gemacht, und eigene Kodizes entwickelt. Dazu gehören laut dem Wissenschaftler Papenfuß die Großstädte Köln, Frankfurt am Main, Hamburg und Stuttgart und die kleineren Städte Fürth, Landau und Neuss.
Doch so ein Kodex ist kein triviales Konstrukt. Es dauert Zeit und kostet Geld so ein Verhaltenswerk zu entwickeln. Die Zuhilfenahme eines Musterkodexes, wie ihn jetzt der Städtetag empfiehlt, ist deshalb sinnvoll sowie effizient. Der Städtetag hat seinen Mitgliedern mit diesem Fingerzeig einen großen Dienst erwiesen.
Und apropos Fingerzeig: Klar muss bei aller Freude auch bleiben, dass so ein Kodex ein stumpfes Schwert ist. Ein Kodex gibt nur Empfehlungen. Doch es ist ein Schwert, das auf Missstände hinweisen kann und einen Prozess in Gang bringt, an dessen Ende alle Beteiligten und auch das Gesamtsystem besser dastehen.
Mehr: Schluss mit dem Klüngel – Öffentliche Unternehmen erhalten Benimmregeln
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