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KommentarNach dem Virus kommt das Finanzamt

Die massiven Corona-Hilfen werden die Finanzpolitik zu einem Kurswechsel zwingen. Dabei kommt es auf die richtige Balance zwischen neuen Schulden, Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen an.Torsten Riecke 18.03.2021 - 04:00 Uhr Artikel anhören

Die in den USA beginnende Debatte über höhere Steuern für sehr hohe Einkommen, Kapitalerträge, Vermögen und Erbschaften wird über den Atlantik schwappen und den Wahlkampf in Deutschland mitbestimmen, warnt der Autor.

Foto: imago images/Andreas Gora

Wer wissen will, was nach der Pandemie kommt, muss nach Osten blicken. China ist während der Coronakrise so etwas wie der Vorreiter für den Rest der Welt geworden: Hier nahm die Seuche ihren Anfang, China verhängte den ersten Lockdown, die chinesische Wirtschaft meldet sich als erste zurück.

Und China ist auch das erste Land, das jetzt seine massiven Corona-Hilfen wieder zurückschraubt, um das inoffizielle Haushaltsdefizit von rund zwölf Prozent in den Griff zu bekommen. Dazu gehört, dass Peking zahlreiche Steuererleichterungen für Verbraucher und Unternehmen wieder rückgängig macht.

Auch im Westen hat die Debatte über Steuererhöhungen nach der Krise längst begonnen. Großbritannien hat angekündigt, die Abgaben für Unternehmen von 2023 an zu erhöhen. Die Biden-Regierung in den USA erwägt nach dem schuldenfinanzierten Konjunkturpaket von 1,9 Billionen Dollar den etwa doppelt so teuren klimaneutralen Umbau der US-Wirtschaft auch mit einem Mix aus Körperschaft-, Reichen- und Vermögensteuern zu finanzieren.

Und auch in Deutschland fordert SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz höhere Steuern für Besserverdienende, um die Lasten der enormen Corona-Hilfen gerechter zu verteilen. Dass die Rechnung für die gigantischen Rettungspakete der Staaten am Ende beim Steuerzahler landen wird, ist unvermeidlich.

Die staatliche Anschubhilfe und aufgestaute Konsum- und Investitionsausgaben werden zwar für eine kräftige Wirtschaftserholung und damit auch für steigende Steuereinnahmen sorgen. Das allein wird jedoch nicht reichen, um die Löcher in den Staatskassen wieder zu füllen. In den USA ist der Schuldenberg schon jetzt größer als die jährliche Wirtschaftsleistung, und auch Deutschland ist mit einer Schuldenquote von rund 73 Prozent in diesem Jahr weit von den im Maastricht-Vertrag erlaubten 60 Prozent entfernt.

Wachstum allein reicht zum Schuldenabbau nicht

Hinzu kommt, dass die meisten Regierungen den wirtschaftlichen Wiederaufbau unter dem Motto „build back better“ richtigerweise nutzen wollen, um chronische Strukturschwächen ihrer Volkswirtschaften wie in der Digitalisierung oder im Klimaschutz auszumerzen. Die Grünen haben gerade eine entsprechende Investitionsoffensive angekündigt.

Angesichts des enormen Finanzbedarfs für den Neustart nach der Pandemie ist es eine Illusion, zu glauben, man könne mithilfe des nahenden Aufschwungs aus den Schulden einfach herauswachsen. Zumal die Wirtschaftsweisen ihre Wachstumsprognose für 2021 gerade von 3,7 auf 3,1 Prozent gekürzt haben.

Die Finanzminister in allen Industrieländern stehen jetzt vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen eine Balance zwischen neuen Schulden, Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen finden, die nicht nur ökonomisch nachhaltig, sondern auch politisch durchsetzbar ist. Dass ökonomische Vernunft und politisches Kalkül nicht unbedingt deckungsgleich sind, hat die politisch motivierte, aber wirtschaftlich selbstzerstörerische Austeritätsdebatte in Europa während der Schuldenkrise gezeigt.

Solange die Zinsen niedrig bleiben, gibt es ökonomisch keinen Grund, die Schuldenbremse bis zum Anschlag durchzutreten. Der frühere US-Finanzminister Larry Summers hält einen Schuldendienst des Staates in Höhe von bis zu zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für tragfähig.

Foto: Handelsblatt

Sowohl die USA als auch Deutschland sind weit von dieser Marke entfernt. Da nicht der Staat, sondern das Angebot an Ersparnissen und die Nachfrage nach Investitionen das Zinsniveau bestimmen, gebietet es die ökonomische Vernunft, das Risiko eines Zinsanstiegs im Auge zu behalten. Zumal die stark gestiegene Staatverschuldung bereits Inflationsängste geschürt und damit auch die langfristigen Zinsen nach oben getrieben hat.

Ökonomisch kein Hexenwerk, politisch eine Zeitbombe

Deshalb kommt es jetzt darauf an, zwischen Staatsausgaben zu unterscheiden, die das langfristige Wachstumspotenzial der Wirtschaft stärken, und solchen, die kurzfristig vor allem für einen Konsumschub sorgen. Investitionen in die Digitalisierung, Bildung und Klimaschutz gehören in die erste Kategorie und sollten auch durch Kredite finanziert werden.

Handelt es sich dagegen um längerfristige Staatshilfen und Sozialleistungen, um die Härten der Krise für Verbraucher und Unternehmen abzufedern, braucht es dafür eine Gegenfinanzierung durch Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen. Ökonomisch ist das kein Hexenwerk, politisch ist es eine Zeitbombe.

Verwandte Themen Coronavirus Schuldenbremse Wirtschaftspolitik Konjunktur USA

Die gerade in den USA beginnende Debatte über höhere Steuern für sehr hohe Einkommen, Kapitalerträge, Vermögen und Erbschaften wird über den Atlantik schwappen und den Wahlkampf in Deutschland mitbestimmen. Am Ende werden auch hierzulande die Stärkeren den Schwächeren solidarisch helfen müssen, wenn die Gesellschaft nach der Zerreißprobe der Pandemie wieder stärker zusammenwachsen soll.

Mehr: Nur sieben Länder ziehen bei der Grundsteuer-Reform mit – Etlichen Immobilienbesitzern drohen höhere Abgaben

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