Kommentar Nationale Vetos lähmen die EU-Außenpolitik

Dass sich die EU als außenpolitische Großmacht positionieren kann, scheitert regelmäßig an nationalen Vetos.
Dieses Mal ist Italien der Buhmann. Die Europäische Union (EU) will sich auf eine gemeinsame Erklärung einigen, Juan Guaidó als Übergangspräsidenten Venezuelas anzuerkennen, damit dieser neue Wahlen in dem Land durchführen kann.
Das Problem: Die Regierung in Rom will nicht mitmachen. Sie hat selbst keine einheitliche Position zu Venezuela, viele Köpfe der Regierung gelten zudem als russlandfreundlich.
Russland unterstützt Venezuelas Staatspräsident Nicolás Maduro und damit eine andere Position als die EU anstrebt. Nachdem ein aufgrund von Italien weich formuliertes EU-Ultimatum an Maduro ausgelaufen ist, erkennen immer mehr EU-Staaten Guaidó als Interimspräsidenten an. Geschlossen tun sie dies jedoch nicht.
Ein weiterer Buhmann ist in diesen Tagen Ungarn. Am Montag trafen sich in Brüssel die Außenminister der EU und jene der Arabischen Liga, um den gemeinsamen Gipfel in Ägypten Ende des Monats vorzubereiten. Die EU möchte dieses politische Großevent nutzen, um unter anderem eine engere Zusammenarbeit beim Thema Migration zu ermöglichen.
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Doch sobald es um Flüchtlinge geht, ist Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán raus. Ungarn blockierte einen Kompromisstext, in dem es unter anderem auch um Migration geht. Köpfe der Arabischen Liga merkten an, innerhalb der Union gebe mehr Unstimmigkeiten als innerhalb der regionalen politischen Kooperation.
Dass sich die EU als außenpolitische Großmacht positionieren kann, scheitert regelmäßig an nationalen Vetos. Mal will das eine Land nicht, mal das andere nicht. Die Gründe sind so vielfältig, wie die Union selbst. Aber eben auch immer von nationalen Interessen geleitet.
Die Außenpolitik ist neben der Steuerpolitik das einzige Feld, bei dem auf EU-Ebene immer noch das Einstimmigkeits- und nicht das Mehrheitsprinzip gilt. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und viele Europaparlamentarier haben sich für eine Änderung ausgesprochen.
Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzip fraglich
Um das umzusetzen, müssen allerdings alle EU-Mitglieder geschlossen zustimmen. Ob das jemals der Fall sein wird, ist fraglich. Denn es betrifft einen der Grundpfeiler der staatlichen Souveränität. In Zeiten zunehmenden Nationalismus wird das nicht leichter werden. Einzelne Länder hatten bereits Widerstand signalisiert.
Dass die EU so keine außenpolitische Großmacht werden kann, um auf Augenhöhe mit den USA, Russland und China zu agieren, ist aber nicht das einzige Problem an dem Einstimmigkeitsprinzip. Die anderen Großmächte nutzen die Zerrissenheit der EU gerne aus, um die Europäer zu spalten und sie nicht im Weg zu haben.
Ein Beispiel: Jahr für Jahr beschwerte sich die EU bei den Vereinten Nationen über die Menschenrechtslage in China – bis 2017. Da legte Griechenland plötzlich ein Veto ein und die bis dahin übliche China-kritische Stellungnahme der EU fiel aus.
Der Initiator hinter dem Griechenland-Veto war China, das Griechenland mit finanziellen Hilfen lockte. Der Ärger in den übrigen EU-Staaten war anschließend groß.
Diese Unfähigkeit der Europäer zu einem gemeinsamen Auftreten nach Außen ermunterte vermutlich auch Kremlchef Wladimir Putin in seiner Expansionspolitik. Mit der Einigkeit bei der Krim-Frage hatte er wohl nicht gerechnet.
Den Europäern sollte also so langsam mal klar sein: Will man im Kreis der Großen mitspielen, müssen nationale Interesse ausgeklammert werden – auch wenn das weh tut. Sonst kann man nichts erreichen und wird nur für die eigenen Zwecke ausgespielt. Denn Großmächte haben kein Interesse an einer weiteren Großmacht.
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