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Kommentar Nicht am falschen Ende sparen – das muss Europas Lehre aus der Pandemie sein

120 Millionen Impfungen, schnellstes Wachstum seit den 1980er-Jahren – viele Europäer blicken neidisch auf die USA. Wie der Stimmungsumschwung auch hier gelingen kann.
21.03.2021 Update: 21.03.2021 - 17:27 Uhr Kommentieren
Die CDU-Politikerin räumte vor wenigen Wochen Fehler bei der Impfstoffbeschaffung ein. Quelle: Reuters
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen

Die CDU-Politikerin räumte vor wenigen Wochen Fehler bei der Impfstoffbeschaffung ein.

(Foto: Reuters)

Als im vergangenen Jahr das Coronavirus die USA befiel, die Gesundheitsbehörden kapitulierten und im Weißen Haus ein Präsident davon faselte, die Pandemie mit Bleichmittel-Injektionen zu überwinden, sprach ein Essay im Magazin „The Atlantic“ vielen Amerikanern aus der Seele: „Wir leben in einem gescheiterten Staat“, schrieb George Packer, einer der scharfsinnigsten Beobachter der USA, und stellte seine Heimat auf eine Stufe mit „Pakistan oder Weißrussland“. 

Man muss kurz an diese düstere Zustandsbeschreibung erinnern, um zu zeigen, wie gewaltig der Stimmungsumschwung ist, den die USA derzeit erleben. Amerika, sagt die Notenbank Federal Reserve voraus, steht der kräftigste Aufschwung seit fast 40 Jahren bevor.

Die erfolgreiche Impfstrategie der neuen Regierung unter Joe Biden und das dritte große Konjunkturprogramm gegen die ökonomischen Folgen der Pandemie geben dem Land zurück, was es im Seuchenjahr 2020 verloren hatte – Zuversicht und das Gefühl, eine Führungsmacht zu sein.

Die Tristesse hat nun Europa befallen. Die Regierungen hangeln sich von Lockdown zu Lockdown, die Impfkampagne stockt, die Wirtschaft japst nach Luft, und die Bürger verlieren die Geduld. Bevor es besser wird, wird es noch schlechter, nur das ist sicher.

Politisch mögen sich Europa und Amerika unter dem transatlantisch gesinnten Präsidenten Biden wieder näherkommen, doch ökonomisch entwickeln sie sich immer weiter auseinander. Während die US-Wirtschaft schon in den nächsten Wochen wieder so stark sein wird wie vor Corona, wird Europa das Vorkrisenniveau erst Mitte 2022 erreichen. Europa – ein müder, abgehängter Kontinent?

In den USA lindert das Konjunkturpaket nur die akute Not

Es stimmt, die EU kann beim derzeitigen Tempo nicht mit den USA mithalten. Doch mittelfristig muss das kein Nachteil sein. Die Amerikaner haben ein großes Konjunkturfeuerwerk entfacht. Das hebt die Laune, könnte aber noch große Probleme schaffen. Die Zinsen ziehen an, selbst linksliberale Ökonomen warnen vor einer Überhitzung. Vor allem aber: Das Geld, das die Regierung in die Hand nimmt – atemberaubende sechs Billionen Euro seit Beginn der Pandemie –, dient dazu, Bedürftige zu unterstützen.

Quelle: Burkhard Mohr
Karikatur
(Foto: Burkhard Mohr)

 Es lindert akute Not, aber es leistet keinen Beitrag dazu, die langfristigen Probleme der USA zu lösen: die Sanierung maroder Infrastruktur, die ökologische Transformation und die Beseitigung von wachstumshemmenden Oligopolen, etwa im Techsektor. 

Europa kann es besser machen, wenn es den Willen dazu aufbringt. Der Bundestag will jetzt den Weg für europäische Wiederaufbauhilfen frei machen. Wenn die anderen Länder mitziehen, wird die EU erstmals im großen Stil Anleihen platzieren und 750 Milliarden Euro verteilen können.

Das Geld soll in Zukunftsinvestitionen fließen, in die Beschleunigung der Digitalisierung und klimafreundliche Technologien. Im Gegenzug dringt die EU auf Reformen. So fordert Brüssel im Falle Deutschlands „die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems“ zu verbessern. Die Idee ist, mit einem Mix aus Investitionen und Reformen die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass die europäischen Volkswirtschaften dauerhaft schneller wachsen können. Das ist der richtige Ansatz. 

Halbherzigkeit ist gefährlich

Die Gefahr ist aber, dass Europa halbherzig bleibt, dass es, wie schon bei der Beschaffung von Impfstoffen, zu zögerlich agiert. Die Europäer fixieren sich auf die falschen Risiken, kritisiert der Ökonom Paul Krugman zu Recht.

Bloß nicht zu viel an Pharmafirmen zahlen, ja kein Geld für Vakzine ausgeben, die am Ende unwirksam sein könnten: Das Ergebnis ist ein verlängerter Lockdown, dessen wirtschaftlicher Schaden alle Kosten um ein Vielfaches übertrifft, die Europa mit preisbewusster Einkaufspolitik vermieden haben mag. Diesen Fehler dürfen die Europäer bei den Konjunkturhilfen nicht wiederholen. Übertriebenes Kostenbewusstsein droht die Erholung zu verschleppen.

Gern wird in der Diskussion über Staatsausgaben, zumal auf EU-Ebene, vor einer Schuldenflut gewarnt, wenn nicht gleich vor der Versündigung an künftigen Generationen. Tatsächlich bergen Defizite Risiken, nur Voodoo-Ökonomen würden anderes behaupten.

Doch angesichts der Herausforderungen, vor denen Europa steht, ist das Risiko der Investitionsvernachlässigung größer als die Überlastungsgefahr durch Schuldenaufnahme. Ein Kontinent, der den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft versäumt und im globalen Wettbewerb mit China und den USA zurückfällt, wird seinen Wohlstand nicht verteidigen können. Niedrige Schuldenquoten hin oder her. 

In Deutschland haben sich die Unionsparteien schon festgelegt: Gemeinsame Milliardeninvestitionen sollen eine einmalige Ausnahme in der EU bleiben. Warum eigentlich? Wenn sich das Zusammenspiel von Kommission und Mitgliedstaaten bewährt, spricht vieles dafür, das Konzept des Förderns und Forderns beizubehalten. 

EU-Anleihen als Anreize für wachstumsfreundliche Reformen könnten auch nach der Pandemie ein einträgliches Geschäft sein. Nicht am falschen Ende sparen: Wenn das die Lehre aus der Coronakrise ist, kann es auch in Europa bald einen Stimmungswandel geben.

Mehr: EU-Stabilitätspakt könnte aufgeweicht werden: Finanzministerium spielt Reform durch.

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