Kommentar Politiker sind Lobbyisten ihrer Heimat

Die Entscheidung für den Standort Münster steht bei vielen in der Kritik.
Die Vorwürfe haben es in sich: Da schreiben die Ministerpräsidenten der drei größten Flächenländer der Republik – Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen – an die Kanzlerin und werfen der Bundesforschungsministerin vor, die Entscheidung für den Standort der ersten deutschen Batterieforschungsfabrik zugunsten ihrer Heimatregion getroffen zu haben und nicht etwa aus fachlichen Gründen.
Lässt sich so ein Vorwurf von derartig exponierten Staatsvertretern von CSU, Grünen und SPD gegen eine Staatsvertreterin der CDU einfach übergehen? Natürlich nicht. Die Ministerin muss aufklären, mehr als mit wenigen Sätzen in einem Interview.
Zumal es schon vor einem Jahr warnende Stimmen in der eigenen Partei gab, Karliczek wolle die Batterieforschungsfabrik und damit 500 Millionen Euro des Bundes in ihren Wahlkreis holen. Seit der Zeit tobt der Streit um die Entscheidung. So lange tagte eine Gründungskommission, die eigentlich unabhängig entscheiden sollte.
Nun ist es nicht direkt Karliczeks Heimat Ibbenbüren geworden, dafür aber der Nachbarwahlkreis Münster. Angesichts des Geschmäckles fühlte sich der Parteifreund der Forschungsministerin, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet, bemüßigt, der Kanzlerin vorzugreifen und auf den Brief von Söder, Kretschmann und Weil zu antworten. Das allein schon zeigt: Es geht um knallharte Strukturpolitik.
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Alle Politiker ringen um die Technologien der Zukunft. Wo sich Forschung ansiedelt, da zieht auch Industrie nach, das wissen alle. Entsprechend tobt auch seit mehr als einem Jahr ein Streit darüber, wo das angekündigte deutsch-französische Zentrum für Künstliche Intelligenz entstehen soll.
Auch hier geht es um Exzellenz in einem Zukunftsfeld der digitalen Welt – und um viel Geld, das jeder nur zu gerne in seinem Wahlkreis verteilen möchte. Bei der KI soll nun ein Netzwerk entstehen, damit möglichst viele Standorte etwas vom Förderkuchen abbekommen.
Auch im Fall der Batterieforschung sollen die Standorte Ulm, Augsburg und Salzgitter profitieren, aber eben nicht so wie Münster. Man mag darüber eine Debatte führen, ob nicht besser der zweite Finalist Ulm den Zuschlag hätte bekommen sollen.
Wenn fachlich begründet werden kann, dass Deutschland mit der Entscheidung für Münster im Rennen um die Batterietechnik der Zukunft – und damit um das Herzstück der deutschen Kernindustrie, der Automobilindustrie – zurückfällt, dann sollte es eine Korrektur geben.
Ansonsten gilt die bittere Wahrheit: Politiker sind Lobbyisten ihrer Heimat. Das gilt leider auch für Bundesminister, die dem Gemeinwohl dienen sollten. Bayern und Baden-Württemberg geht es auch deswegen heute so gut.
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