Kommentar Rund ein Jahr vor dem Ruhestand geht Infineon-Chef Ploss voll ins Risiko – das ist richtig

Der Infineon-Chef will im gerade begonnenen Geschäftsjahr deutlich mehr investieren.
Knapp 15 Monate noch, dann ist Schluss. Nach 36 Jahren bei Infineon geht Vorstandschef Reinhard Ploss an Silvester 2022 in den Ruhestand. Zuvor aber dreht der 65-Jährige noch einmal mächtig auf. 2,4 Milliarden Euro werde er im gerade begonnenen Geschäftsjahr investieren, kündigte der Elektroingenieur an diesem Dienstag an. Das ist rund die Hälfte mehr als in dem am 30. September beendeten Geschäftsjahr.
Ploss gibt damit rund ein Fünftel vom prognostizierten Umsatz für neue Maschinen und Fabrikerweiterungen aus. Das ist weit mehr, als er den Investoren in den vergangenen Jahren versprochen hatte. Mit einer Investitionsquote von 13 Prozent wollte Ploss auskommen – und so deutlich mehr Gewinn erwirtschaften. Nun aber rechnet der Manager mit einem langfristig stark steigenden Geschäft und geht daher voll ins Risiko.
Das ist aus mehreren Gründen richtig. So hat die Pandemie den Chips allgemein einen massiven Schub gegeben. Diesem kräftigen Wachstum wird Infineon mit den höheren Investitionen gerecht. Dazu kommt, dass die Felder besonders gut laufen, auf denen der Dax-Konzern tätig ist. Insbesondere Leistungshalbleiter sind gefragt, mit ihnen erzielt Infineon mehr als die Hälfte des Umsatzes. Diese Chips werden nicht zuletzt für die Elektromobilität benötigt, also für ein Feld, das in den vergangenen Monaten ebenfalls mächtig Rückenwind bekommen hat.
Noch etwas ist wichtig: China investiert massiv in die Leistungshalbleiter. Medienberichten aus der Volkswirtschaft zufolge will der Staat im Rahmen eines Fünfjahresplans bis 2025 Chips aus dem innovativen Material Siliziumkarbid fördern. Es soll das vorherrschende Silizium ersetzen, weil es leistungsstärkere und energieeffizientere Bauelemente ermöglicht. Bislang sind westliche Firmen wie Infineon und ST Microelectronics bei Leistungshalbleitern führend. Nun versucht die Volksrepublik, an den europäischen Konzernen vorbeizuziehen mit dem neuen Rohstoff. Infineon tut gut daran dagegenzuhalten.
Natürlich besteht das Risiko, dass Ploss seinem Nachfolger Überkapazitäten hinterlässt, sollte der Markt schwächeln. Nicht ausgelastete Chipmaschinen sind teuer, noch im vorvergangenen Geschäftsjahr plagten den Konzern Leerstandskosten von 600 Millionen Euro.
Daher ist es wichtig, mit Augenmaß zu investieren. Das ist Ploss in jüngster Zeit gut gelungen. Im Sommer ging das neueste Werk des Konzerns im österreichischen Villach in Betrieb: angesichts der weltweiten Lieferengpässe genau zum richtigen Zeitpunkt.
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