Kommentar: Schweigen ist keine Option mehr: US-Manager zeigen Flagge gegen Rassismus

Demonstranten marschieren nach dem Schuldspruch für den Ex-Polizisten Derek Chauvin durch die Straßen in Atlanta.
Schweigen ist Gold. Diese Maxime haben sich gerade Spitzenmanager lange zu eigen gemacht, wenn es um hochpolitische Streitfragen geht. „Es gibt jedoch Dinge“, sagt der Management-Professor Jeffrey Sonnenfeld von der amerikanischen Eliteuniversität Yale, „da kann auch ein Konzernchef nicht länger schweigen.“
Das gilt nicht nur für den von Sonnenfeld mitorganisierten Aufstand von Corporate America gegen die restriktiven Wahlrechtsreformen in vielen US-Bundesstaaten. Nein, das gilt auch für das Urteil eines Geschworenengerichts in Minneapolis gegen jenen inzwischen entlassenen Polizisten Derek Chauvin, der im Mai 2020 dem Afroamerikaner George Floyd bei einer Festnahme mehr als acht Minuten die Luft zum Atmen nahm, sodass er auf offener Straße starb.
Der Schuldspruch der Jury für Chauvin erinnere ihn daran, „warum wir für Gerechtigkeit für alle kämpfen“, twitterte Chuck Robbins, Chef des IT-Konzerns Cisco. Und Maria Bara, Chefin des Autobauers General Motors, schrieb: „Während der Schuldspruch im Prozess um Gerechtigkeit für George Floyd ein Schritt im Kampf gegen Vorurteile und Ungerechtigkeit ist, müssen wir entschlossen bleiben, bedeutsame und bewusste Veränderungen auf breiter Ebene voranzutreiben.“ Ähnlich äußerten sich Vertreter von anderen US-Konzernen.
Die umstrittenen Wahlrechtsänderungen, die sich im Kern gegen Afroamerikaner und andere Minderheiten richten, und die Polizeigewalt gegen Schwarze haben den gleichen Kern: „Systemischer Rassismus ist ein Schandfleck auf der Seele unserer Nation“, sagte US-Präsident Joe Biden nach dem Urteil in Minneapolis.
Es sind nicht immer nur individuelle Gewissensentscheidungen, wenn jetzt Unternehmensführer mit offenem Visier in sozialen und politischen Streitfragen eindeutig Stellung beziehen. Firmenchefs sprechen nicht nur für sich selbst, sondern für Tausende, manchmal Hunderttausende Mitarbeiter. Zugleich sprechen sie zu Millionen von Kunden ihrer Unternehmen.
Beschäftigte und Kunden erwarten Rückgrat vom Chef
Es sind jedoch gerade die Beschäftigten und Kunden, also die breite Öffentlichkeit, die mehr Engagement von den Topmanagern fordern. In einer globalen Umfrage der Unternehmensberatung Edelman sprachen sich 86 Prozent der Befragten dafür aus, dass CEOs in sozialen Fragen Flagge zeigen sollten.


Dass dies jetzt im Fall des Mordes an Floyd so zahlreich und so deutlich geschieht, zeigt auch, wie tief die immer noch offene Wunde des Rassismus selbst in den Arbeitsalltag hineinreicht. Die Belegschaften und Kunden sind diverser geworden und erwarten von ihrem Unternehmen, dass es sich in grundlegenden Fragen der Demokratie und Menschenrechte klar positioniert.
„Schweigen ist Duldung“, sagt Managementexperte Sonnenfeld. Schweigen ist deshalb keine Option mehr für den heutigen Chef.
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