Kommentar Selbst Apple leidet unter Lieferengpässen: Kunden der Chipbranche müssen umdenken

Chipwerke kosten Milliarden. Damit sie zuverlässig beliefert werden, sollten sich die Kunden an den Investitionen beteiligen.
Die Chipkrise nimmt kein Ende. Inzwischen fehlen selbst Apple massenhaft Bauteile. Der größte Kunde der Halbleiterbranche weltweit kann daher im Weihnachtsgeschäft nicht annähernd so viele iPhones verkaufen wie geplant. Den Kaliforniern geht es damit nicht besser als Tausenden Mittelständlern weltweit.
Egal ob Milliardenkonzern oder Familienbetrieb: Chips sind und bleiben knapp. Das gesamte Jahr 2022 sei mit einer angespannten Lage zu rechnen, warnte am Donnerstag TSMC, der weltgrößte Auftragsfertiger der Halbleiterindustrie. Und das, obwohl die Taiwaner dieses Jahr 30 Milliarden Dollar in Werke und Maschinen stecken.
Den Chipkunden sollten die seit Monaten andauernden Engpässe eine Lehre sein. Sie sind gut beraten, einige Vorgehensweisen zu überdenken. Das fängt in der Produktentwicklung an. Die Ingenieure dürfen sich künftig keinesfalls auf einen Chiplieferanten festlegen. Das mag günstig sein, führt aber zu gefährlicher Abhängigkeit. Nur solche Designs sind zukunftsfähig, die Chips unterschiedlicher Anbieter zulassen.
Genauso riskant ist es, die exakten Bestellmengen bis zum letzten Moment offen zu lassen. Das hat in den vergangenen Jahren funktioniert, weil es Überkapazitäten gab. An einem ordentlich bestückten Lager kommt jetzt niemand mehr vorbei.
TSMC könnte auch in Europa investieren
Wer sicherstellen will, dass die Bänder stets laufen, muss zudem enger mit den Herstellern zusammenarbeiten. Das bedeutet auch: Vorauszahlungen leisten, damit die Produzenten ausreichend investieren. Läuft es einmal schlechter, sollten Kunden bereit sein, die Leerstandskosten gemeinsam mit den Produzenten zu tragen.
Die Kunden sollten zudem darauf drängen, dass neue Werke nicht mehr am anderen Ende der Welt gebaut werden, sondern näher am Markt. Das könnte die Chips zwar verteuern, dürfte sich aber angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen lohnen.
TSMC als Branchenführer scheint bereit, auf die Abnehmer zuzugehen. Bislang beschränkte sich der Konzern auf seine Heimat Taiwan. Am Donnerstag kündigten die Asiaten an, erstmals ein Werk in Japan zu errichten. Auch in den USA gibt TSMC bereits Milliarden für eine Fabrik aus. Mit verbindlichen Zusagen der europäischen Kunden sollte es möglich sein, TSMC auch von einer Investition in unserer Region zu überzeugen.
Kurzfristig hilft das alles wenig, denn eine neue Chipfabrik zu errichten dauert Jahre. Langfristig führt indes kein Weg daran vorbei, die Beziehungen zwischen Kunden und Halbleiterherstellern auf ein neues Fundament zu stellen.
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