Kommentar Stärke der Algorithmen: Die Machtbasis von Blackrock

Er spielt gerne die Rolle des guten Kapitalisten.
Die US-Firma Blackrock hat das Vermögen, das sie verwaltet, im vergangenen Jahr um fast ein Viertel auf die sagenhafte Summe von 7,4 Billionen Dollar gesteigert. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands erreicht nur rund vier Billionen. Ein Konzern, der so viel Kapital kontrolliert, zieht Aufmerksamkeit und Misstrauen auf sich. Denn Geld bedeutet in einer kapitalistischen Weltordnung auch Macht. Viel ist darüber geschrieben worden, wie Blackrock insgeheim den Globus beherrscht.
Larry Fink, Co-Gründer und Chef von Blackrock, versucht dagegen, seinem Konzern ein freundliches Antlitz zu geben. Unentwegt ist er auf Konferenzen präsent oder wendet sich mit mahnenden Briefen, wie vor einigen Tagen wieder, an die Weltöffentlichkeit. Er weiß genau, welche Themen angesagt sind – zurzeit alles, was unter dem Kürzel „ESG“ läuft, das für Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung steht. Nach der Finanzkrise vor gut zehn Jahren schaffte Fink es auch, sich von den Banken, der Wall Street, zu distanzieren – ganz so, als habe er mit dieser gewaltigsten Geldmaschine der Geschichte nichts zu tun. Fink, der gute Kapitalist – so präsentiert er sich gerne.
Was stimmt nun? Ist Blackrock die unheimliche Macht, die im Hintergrund die Fäden zieht? Oder der saubere Großkonzern, der bei den Tausenden Unternehmen, an denen seine Fonds beteiligt sind, für Ordnung sorgt?
In Wahrheit stimmen beide Thesen nicht. Blackrock ist weniger einflussreich, als viele Kritiker glauben, und weniger eine Kraft des Guten, als Fink glauben machen möchte. Auf jeden Fall ist die Rolle des weltgrößten Vermögensverwalters nicht unproblematisch.
Passende politische Forderungen
Blackrocks Einfluss ist geringer als vielfach angenommen, weil die Kapitalanteile auf viele Fonds verteilt sind, von denen eine große Anzahl gar nicht aktiv verwaltet werden, sondern passiv Aktienindizes folgen. Dass der Konzern wie ein aktivistischer Investor eingreift, ist eine Seltenheit. Die Frage ist aber auch, wie stark er im Einzelfall zum Beispiel auf gute Unternehmensführung oder Nachhaltigkeit einwirken kann.
Fink selbst gibt mit seiner Doppelrolle als Chairman und Vorstandschef, also Chef und Kontrolleur zugleich, kein gutes Beispiel ab. Und passive Fonds haben kein Drohpotenzial, bei einer Firma auszusteigen, und in der Regel auch nicht das Personal, sich wirklich in die Details zu vertiefen. Blackrock behauptet, im Stillen Einfluss auszuüben, statt auf Hauptversammlungen aufzutreten. Aber nachprüfbar ist kaum, wie viel tatsächlich passiert.
Auffällig ist auf der anderen Seite, dass Blackrock sich ungeniert in die Politik einmischt. Fink selbst fordert oft, die private und die betriebliche Altersvorsorge zu stärken. Das ist nicht falsch, aber spielt natürlich Blackrock in die Hände. Der Konzern beschäftigt, um seine Position zu festigen, gerne ehemalige Politiker wie Friedrich Merz in Deutschland oder Ex-Notenbanker wie den Schweizer Phillipp Hildebrand und Stanley Fischer, der als Professor eine ganze Generation von Geldpolitikern geprägt hat und später jahrelang Vize-Chef der US-Notenbank (Fed) war.
Auf diese Weise Prominenz und wichtige Kontakte einzukaufen ist in der Finanzbranche nicht unüblich, Goldman Sachs macht es ähnlich. Wenn mit Merz ein Spitzenpolitiker und möglicher Kanzlerkandidat politische Forderungen stellt, die exakt auf das Geschäftsmodell von Blackrock abgestimmt sind, wird es aber grenzwertig – unabhängig davon, wie gut oder schlecht man diese Vorschläge zur Altersvorsorge findet.
Hinzu kommt: Blackrock vertritt zusätzlich auch im Stillen politische Interessen, etwa gegenüber Aufsichtsbehörden weltweit. Dafür ist Barbara Novick zuständig, die Blackrock schon 1988 mitgegründet hat und seither eine enge Vertraute Finks ist. Auch hier gilt: Die Ziele des Konzerns, die oft auf konsistente und nicht allzu komplizierte Spielregeln für die Branche hinauslaufen, sind nicht abwegig. Aber der Einfluss an der Stelle ist nicht zu unterschätzen.
Technische Übermacht
Vielleicht noch wichtiger als der politische Einfluss ist das große Gewicht von Blackrock innerhalb der eigenen Branche. Die Welt der Vermögensverwalter spaltet sich immer stärker auf in wenige Großanbieter, die vor allem von ihrer technischen Übermacht leben, und in kleinere Anbieter mit hoher Spezialisierung auf einzelne Nischen, aber wenig Einfluss auf die großen Märkte. Blackrock verdankt seinen Erfolg auch seinen technischen Systemen, etwa zur Risikokontrolle, die zum Teil sogar an die Konkurrenz verkauft werden.
Wenn der Trend zu passivem Investment weiter zunimmt und zugleich Algorithmen mehr und mehr menschliche Entscheidung ersetzen, besteht die Gefahr, dass die Märkte von automatischen und in weiten Teilen gleichgeschalteten Entscheidungen im großen Maßstab beherrscht werden. Bei diesem Trend spielt Blackrock eine Schlüsselrolle. Welche Risiken daraus erwachsen, ist schwer abzusehen – aber diese Entwicklung hat schon etwas Unheimliches.
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