Kommentar Streit über die Linke: Merkel zieht Scholz den Stecker

Lange haben sie gut zusammengearbeitet. Aber jetzt, im Wahlkampf, geht Merkel auf Distanz zu ihrem Vizekanzler.
Darauf haben Topleute in der Union gewartet. Am Rande einer Pressekonferenz mit ihrem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre Verhältnisse überdeutlich. Es gebe mit Blick auf die Zukunft Deutschlands einen gewaltigen Unterschied zwischen ihr und ihrem Vizekanzler Olaf Scholz. Mit ihr als Bundeskanzlerin würde es nie eine Koalition geben, in der die Linke beteiligt sei, sagte Merkel.
Rumms, das hat gesessen. Noch nie hatte Merkel ihren Bundesfinanzminister auf offener Bühne in die Schranken gewiesen. Für die ostdeutsche Merkel ist die SED-Nachfolgepartei völlig inakzeptabel. Jedes Flirten mit der Linkspartei kommt für sie nicht infrage.
Die Kanzlerin zeigt Haltung, was unter anderem auch die gesamte deutsche Wirtschaft bei Olaf Scholz vermisst. Der SPD-Kanzlerkandidat hat durchaus Sympathisanten in den Chefetagen, aber eine Koalition mit der Linken geht für sie einfach nicht. Offenbar stört die Kanzlerin auch das Täuschungsmanöver von Olaf Scholz, sich als Merkel 2.0 auszugeben. CSU-Chef Markus Söder und andere sprechen von Erbschleicherei. Die Kanzlerin verbittet sich ein so ungerechtfertigtes Plagiat.
Merkel waren die politischen Stalking-Versuche offenbar zu viel
Scholz war bislang mit dem Kopieren von Merkels Wahlkampfmethode erfolgreich. Zunächst ließ er sich mit der berühmten Merkel-Raute für das „SZ-Magazin“ ablichten. Im ersten Triell am Sonntag spulte er dann routiniert sein Programm herunter, ohne wirklich zu begeistern. Ihm war es wichtig, dabei auf die Nähe zu Merkel und ihre gemeinsamen Entscheidungen zu verweisen. Selbst Merkel, die wahrlich nicht als Parteisoldatin gilt, waren diese politischen Stalking-Versuche aber offensichtlich zu viel. Sonst hätte sie der Masche von Scholz nicht Einhalt geboten.
In der Union dürfte das auf Erleichterung stoßen. In der Unionsspitze wurde bereits gesagt, es wäre ein Leichtes für Merkel, Scholz’ Nimbus als ihre Kopie zu zerstören. Jetzt hat sie ihm den Stecker gezogen.
Scholz wird sich davon sicherlich nicht beeindrucken lassen. Auf einem anderen Blatt steht, ob es der Union nun gelingt, die unentschlossenen Merkel-Wähler auf ihre Seite zu ziehen. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat angesichts der miesen Umfragewerte bereits begonnen, die Stammwählerschaft ins Visier zu nehmen, um den freien Fall zu verhindern. Merkel hat heute der Kampagne von Laschet einen großen Gefallen getan. Jetzt muss Laschet die Vorlage nutzen.
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