Kommentar: Streit um Wehrdienst – die Koalition gibt ein blamables Bild ab


Es ist ein Debakel für die Koalition, anders lässt sich das, was am Dienstagabend im Bundestag geschah, kaum beschreiben. Die Spitzen von Union und SPD wollten einen Kompromiss in der Debatte über den neuen Wehrdienst verkünden. Die eilig zusammengetrommelten Journalisten erwarteten den Beginn der Pressekonferenz, doch dann die Nachricht: Es gibt keine Einigung, die PK fällt aus, der Streit geht weiter.
Schwarz-Rot wollte Handlungsfähigkeit demonstrieren, stattdessen stehen die Koalitionäre als Stümper da. Die erst angekündigte und dann doch geplatzte Einigung ist eine Blamage für alle Beteiligten. Bei einem Thema, das von höchster Bedeutung für das Land ist, darf man von einem Regierungsbündnis mehr erwarten, erst recht von einem, das sich damit brüstet, eine „Arbeitskoalition“ zu sein, geschlossen von vermeintlich versierten Politikveteranen.
Dabei herrscht im wichtigsten Punkt breiter Konsens im Bundestag: Die Bundeswehr muss wachsen, um in Zeiten der militärischen Bedrohung durch Russland verteidigungsbereit zu werden. Und die Armee braucht nicht nur Waffen, sie braucht auch dringend Personal. Einigkeit besteht auch darin, dass die Bundeswehr zunächst versuchen sollte, eine ausreichende Zahl von Freiwilligen anzuwerben. Erst wenn diese Bemühungen scheitern, soll ein „Pflichtelement“ zum Tragen kommen.
Was genau dieses „Pflichtelement“ allerdings beinhaltet, ist nun zum Gegenstand eines handfesten Koalitionskrachs geworden. Pistorius hatte ein Zwei-Stufen-Modell vorgeschlagen, das Kabinett hat seinen Plan bereits gebilligt: So soll der im Koalitionsvertrag vereinbarte freiwillige Wehrdienst im Gesetz um einen konkreten Plan B ergänzt werden. Wenn die Ziele für die Truppenstärke mit dem Anwerben Freiwilliger verfehlt werden, ist der Bundestag aufgerufen, über die Rückkehr zur Wehrpflicht abzustimmen.
Den Schaden hat die Bundeswehr – und den Nutzen die AfD
Der Unionsfraktion ging diese Regelung nicht weit genug, sie forderte Nachbesserungen. Doch das Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Abgeordneten war ein kaum zu durchschauendes Konstrukt, bei dem am Ende das Los darüber entscheiden sollte, wer zum Wehrdienst eingezogen wird. Dass Pistorius diesen unausgegorenen Kompromiss gestoppt hat, ist richtig. Das Problem ist die chaotische Art und Weise, mit der die Koalition – wieder einmal mehr – agiert.
Wie schon in der Debatte um die Berufung von Richtern an das Bundesverfassungsgericht gelingt es den Unionsparteien und der SPD nicht, ein Mindestmaß an Geschlossenheit zu wahren. Dabei sollte auch dem letzten Koalitionsabgeordneten inzwischen klar sein, dass vom Dauerstreit nur die AfD profitiert.






Das betrübliche Bild, das Schwarz-Rot am Dienstagabend abgibt, sieht so aus: CDU-Mann Norbert Röttgen fällt über Pistorius her, im Verteidigungsministerium flucht man über Röttgen. Wer nach dem Dauerzoff der Ampeljahre von Schwarz-Rot gute, geräuschlose Regierungsarbeit erwartet hat, sieht sich enttäuscht. Den Schaden hat die Bundeswehr – und den Nutzen die AfD.
Mehr: Schwarz-rot: Trickreich bei Schulden, träge beim Sparen






